Im Rahmen von Sony‘s State of Play Ende Januar gehörte die Enthüllung von Silent Hill – The Short Message wohl zu den größten Überraschungen. Nicht nur, dass das Spiel zum ersten Mal öffentlich präsentiert wurde. Der Downloadtitel war sogar direkt nach der Präsentation im PSN verfügbar: komplett kostenfrei! Darum habe ich natürlich nicht lange gefackelt und mich in den neusten Ableger der renommierten Horror-Reihe gestürzt. Die folgenden zwei Stunden haben meine Erwartungen in vielerlei Hinsicht zerbrochen, wie Pyramidhead einen Zweig. Obwohl, oder vielleicht gerade weil, The Short Message verdammt harte Kost ist.

Anita aus Silent Hill – The Short Message schaut ins Bild.
Protagonistin Anita trägt zwar nur ihr Handy, aber dennoch eine große Last mit sich.

Das Gefängnis in mir

Silen Hill – The Short Message macht von Sekunde eins an klar, dass es sich als topaktuell präsentieren will. Wir spielen die Oberstufenschülerin Anita, aus der Stadt „Kettenstadt“, die sich in einer wirtschaftlichen Abwärtsspirale befindet. Infolgedessen wurden vor allem während der Corona Pandemie viele Gebäude baufällig und verlassen, gleichzeitig aber auch zu einem ebenso berüchtigten, wie beliebten Treffpunkt für jugendliche.

In eben einem dieser Mehrparteiengebäude, nur „die Villa“ genannt, befindet sich Anita. Ihre Bekannte Maya hat sie per Chatnachricht dorthin bestellt. An ihre jüngste Vergangenheit scheint Anita kaum bis keine Erinnerung zu haben. Vor Ort kommt auf Anitas Hand von Maya lediglich eine einzige Aufforderung: „Finde es.“ Ab hier beginnt für Anita eine düstere Odyssee durch ihre eigene Psyche.

Silent Hill – The Short Message. Dunkle Schatten stehen in einem Schulflur und beleidigen Anita.

Silent Hill – The Short Message ist eines dieser Spiele, von denen jedes im Vorfeld verratene Wort eigentlich eines zu viel ist. Eines sei aber gesagt: Es wagt einen anderen Horror-Ansatz, als alle seine Vorgänger. Gore und grausam entstellte Umgebungen und Kreaturen kommen nur sehr reduziert vor. Stattdessen behandelt die ca. 90-120 Minuten lange Geschichte nahezu ausschließlich unangenehme Themen wie Depression, Selbstzweifel, Neid, Selbstmord und sogar Kindesmisshandlung. Das Ganze wird grundsätzlich sehr intensiv und eindringlich inszeniert. Es ist die transportierte Hoffnungslosigkeit, das Gefühl, Realität und Wirklichkeit nicht unterscheiden zu können und der Strudel an Negativität, der einem einen kalten Schauer über den Rücken jagt; weniger die Darstellung selbst.

The Short Message ist das, was von P.T. übrigblieb

Auch Gameplay technisch bietet uns The Short Message anderes als von Silent Hill gewohnt. Wir steuern Anita aus der Ego-Perspektive im Stile eines Walking Simulators durch die Villa und finden mehr und mehr Hinweise darauf, was vor sich geht. Einziges Hilfsmittel ist ihr Handy, das uns zum einen als Taschenlampe dient und auf dem zum anderen durch Chats die Handlung voranbringt. Wie schon in der Demo „P.T.“ des eingestellten Reboots „Silent Hill“ ändert sich dabei immer wieder unsere sonst unheimlich stille Umgebung, wird zu einem Spiegel für Anitas Ängste.

Anita leuchtet mit ihrem Handy auf eine Tür voller Klebezettel mit Beleidigungen.
Die Umgebungen in der „Villa“ zeigen sowohl Anitas Innenleben, als auch ihre Erinnerungen.

Durch die dichte Atmosphäre und kurze Spieldauer fällt das reduzierte Gameplay eigentlich fast nie ins Gewicht. Wie jeder Walking Simulator ist es das Erlebnis der Handlung, das im Vordergrund steht. Das funktioniert nicht zuletzt aufgrund der starken Grafik. Besonders die Umgebung und Lichtstimmung sind zum Großteil fantastisch. Diese werden lediglich durch kleine Ruckler ab und zu getrübt. Zudem ist das Spiel aufwendig lokalisiert. Fast jeder Text auf Objekten in der Umgebung ist übersetzt. Trotzdem bleibt bei manchen Texten das Gefühl, dass man versucht hat, den Kontext der Handlung ebenfalls auf Deutschland (oder entsprechend andere Länder) zu projizieren, was aber nur bedingt funktioniert. Die „Universität der Technologie“ gibt es in Deutschland nun mal nicht.  

Ab und zu sehen wir Anita auch aus der dritten Person. Ihr Charaktermodell überzeugt mit starker Mimik. Maya hingegen erscheint uns gelegentlich in Real gefilmten Zwischensequenzen, die sich relativ nahtlos in das Geschehen einfügen. Haben wir es hier vielleicht mit einem Vorgeschmack auf Hideo Kojimas kommendes Projekt „Physint“ zu tun? Das Projekt wurde ebenfalls während der State of Play im Januar angekündigt und soll die Grenzen zwischen Film und Spiel weiter aufweichen.

SILENT HILL: The Short Message. Maya spricht in einer Rückblende in die Kamera.
Maya ist zumeist in kryptischen Rückblenden zu sehen. Diese Szenen sind real gefilmt, fügen sich aber gut in den Spielfluss ein.

Eine Höllenspirale

In regelmäßigen Abständen wird dann aber auch in Silent Hill – The Short Message auf ansatzweise klassischen Horror gesetzt. In diesen abgeschlossenen Segmenten werden wir von einem humanoiden Monster verfolgt und müssen durch labyrinthartige Gänge ans Ziel kommen. Bekommt es uns zu packen, sind wir sofort erledigt. Paradoxerweise sind es genau diese Passagen, die am Ende die Wertung am meisten drücken.

Das liegt daran, dass sie schlicht sehr schlecht designt sind. Zum einen stellen wir nach unserem ersten „Tod“ fest, dass einfach die Zeit bis zur Begegnung mit dem Monster zurückgespult wird und wir nahtlos noch einmal beginnen können. Das mag zwar dem Flow zugutekommen, nimmt aber auch jegliche Fallhöhe aus der Gleichung und damit auch den Horror. Dazu steht das Monster manchmal direkt hinter einer geöffneten Tür und selbst wenn wir zunächst nur ein paar Schritte nach hinten gehen, statt uns (langsam und umständlich) umzudrehen, werden wir direkt gepackt. Logik braucht man hier nicht zu suchen.

Das Krischblütenmonster hat Anita am Hals zu packen bekommen. Der Bildschirm wird blutig.
Das Monster verliert schnell seinen Schrecken, ist nur noch nervig.

Zum anderen werden diese Passagen von mal zu mal immer unübersichtlicher. Beim letzten Mal müssen wir gar minutenlang vor dem Monster durch immer gleich aussehende Gänge flüchten und bestimmte Gegenstände finden, ohne dass man genug Zeit hätte, auf Hinweise nach dem richtigen Weg zu achten. Wir rennen einfach wie ein wildes Huhn drauflos und hoffen, irgendwann durch Zufall überall angekommen zu sein.

Das ist zwar vermutlich genau das Gefühl, das die Designer transportieren wollen und passt auch gut zur Geschichte (Anitas Kommentare ändern sich bei jedem „Tod“ mit ein paar gescheiterten Versuchen wird also spekuliert). Dennoch macht vor allem die letzte Fluchtpassage einfach keinen Spaß und nervt nur noch gewaltig. Zumal die Story an dieser Stelle nahezu auserzählt ist und kaum noch ein motivierender Faktor übrigbleibt.

Silent Hill The Short message. Gruselige Puppe wird von ANite angeleuchtet.
Die Jumpscares bleiben stehts seicht, tragen aber zur paranoiden Atmosphäre bei.

Silent Hill – The Short Message: Fazit 6/10

Silent Hill – The Short Message habe ich so nicht erwartet. Sowohl die Ankündigung als auch das, was am Ende drinsteckt. Es wagt einen mutigen Schritt: Weg vom fantastischen, illusorischen Horror, hin zu realem, leider heutzutage vielleicht sogar alltäglichem Horror. Seine Themen behandelt es gnadenlos, geradezu pessimistisch. Völlig zurecht wird zu Beginn und nach jedem Kapitel eine Triggerwarnung eingeblendet. Anitas Geschichte ist definitiv kein Spiel für jeden.

Dazu kommt, dass ausgerechnet die „klassischen“ Horrorpassagen sich als absolute Designsünde entpuppen und vor allem gegen Ende massiv auf den Spielspaß drücken. Mehr als zwei Stunden davon wären letztendlich wohl auch nicht auszuhalten gewesen. So bleibt am Ende ein hoch atmosphärisches, kurzes Abenteuer mit starker Technik, das man sich dank Gratisdownload sehr gut für einen Gruselabend geben kann. Als Spiel ist Silent Hill – The Short Message, wie viele Walking Simulator, aber nur bedingt zu empfehlen.

Triggerwarnung von Konami

Achtung! Falls auch ihr unter Depressionen oder anderen psychischen Belastungen leidet. Zögert bitte nicht, euch Hilfe zu holen. Dazu bietet vor allem die Telefonseelsorge verschiedene Möglichkeiten.

Telefonseelsorge:
Anonym, kostenlos und 24/7 erreichbar unter 0 800 / 111 0 111 und 0 800 / 111 0 222. Der Anruf bei der Telefonseelsorge ist kostenfrei und erscheint nicht auf der Telefonrechnung. Ebenso wenig im Einzelverbindungsnachweis.
Alternativ könnt ihr den Chat nutzen. Die Anmeldung erfolgt auf der Webseite der Telefonseelsorge. Der Chatraum ist auch ohne gebuchten Termin zumindest betretbar unter https://online.telefonseelsorge.de/. Ebenso gibt es eine asynchrone E-Mail-Beratung: https://www.ts-im-internet.de/.

Primär an Jugendliche richtet sich die Nummer gegen Kummer unter 116 111. Aber auch hier gibt es ein Elterntelefon für Erwachsene: 0800 111 0 550.

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