Jak mit blauer Sigille, dazu der Titel des Spiels.

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Jak mit blauer Sigille, dazu der Titel des Spiels.
Jak mit blauer Sigille, dazu der Titel des Spiels.


Der vielleicht häufigste Vorwurf, den sich das First-Person-Shooter Genre gefallen lassen muss, ist Innovationsarmut. Alle Jubeljahre kommen da vielleicht kleine Perlen wie (das vor allem in VR überragende, aber leider viel zu kurze) „Superhot“ oder die schändlich ignorierte LAN-Party-Bombe „Timeshift“ mit seiner Zeitgranaten-Mechanik daher und sorgen für frischen Wind. Doch meist bieten Ego-Shooter abseits der Waffenauswahl schlicht wenig Stellschrauben, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Mit Immortals of Aveum versucht das Indie-Studio „Ascendant Studios“ Blockbuster-Ambitionen mit einem frischen Setting zu vereinen und setzt anstatt klassischer Schießprügel auf Magie. So viel sei vorweggenommen: Ich hatte wahrlich magische Stunden mit dem Spiel; aber aus anderen Gründen als erwartet.

Willkommen in unserer Zauber-/Terrorshow

Aveum präsentiert sich von Sekunde eins an nicht als sonderlich aufenthaltswerte Welt. Die Nation Rashan um den scheinbar fanatischen Herrscher Sandrakk hat quasi allen anderen Nationen den Krieg erklärt, die sich mehr oder weniger intensiv zur Wehr setzen. Die größte Hoffnung ruht dabei auf der Elite-Magiertruppe der „Unsterblichen“. Die Zivilbevölkerung versinkt derweil größtenteils in Armut. Obendrein leidet Aveum an einem Phänomen, das weithin nur „die Wunde“ genannt wird und befindet sich auch abseits des Krieges seit Jahren in stetigem Verfall, da die Menschheit durch die Nutzung der Magie der Welt ihre natürliche Grundlage entzieht. Die Nähe zu aktuellen Problemen der Realität ist definitiv zu allgegenwärtig, um als Zufall durchzugehen.

Kriegsszene aus mit Drachen am Himmel.

In diesem unwirtlichen Setting schlägt sich Protagonist Jak als Mitglied einer Straßenbande durch. Als er Medizin für einen verwundeten Freund stehlen will, überschlagen sich die Ereignisse, in deren Verlauf seine magischen Kräfte erwachen. Er entpuppt sich als „Triarch“, der – anders als üblich – alle Arten der Magie nutzen kann. So wird er praktisch über Nacht von den Unsterblichen rekrutiert und direkt in den Krieg um Aveum verwickelt. Die Geschichte legt dabei bis zum furiosen Finale ein enormes Tempo an den Tag.

Ob euch das gefallen kann, hängt zu großen Teilen davon ab, welche Art von Zuhörer Ihr seid. Wollt Ihr tief in die Welt von Aveum abtauchen und jeden Aspekt des Universums verstehen, dann seid Ihr regelmäßig gezwungen, euch die nach und nach freigeschalteten Einträge im Logbuch über die Welt durchzulesen, was leider den, sonst so schön zügigen, Fluss stören kann. Denn die Autoren haben sich wirklich alle Mühe gegeben, hier eine großangelegte Marke zu schaffen, die Platz für viele weitere Geschichten bietet. Ich persönlich habe an den Details schnell das Interesse verloren, manche Unklarheiten schlicht als gegeben akzeptiert und mich dem Fluss der Geschichte hingegeben. Diese gewinnt zwar zu keiner Zeit einen Innovationspreis. Sowohl die Grundprämisse als auch die Charakterzeichnung hat es schon zigmal gegeben. Dennoch ist hier alles auf hohem Niveau inszeniert. Es mag den Figuren an Originalität mangeln, das macht sie aber nicht weniger liebenswert. Außerdem ist Immortals of Aveum regelmäßig selbstreferentiell und ironisch. Daran muss man sich zunächst gewöhnen. Hat man den frechen, fast chaotischen Ton, der zunächst gar nicht zum Magie-Thema passen mag, aber akzeptiert, kann man ihn schnell lieben lernen. Auch ich hatte einige Zeit lang nicht erwartet, dass ich mir sofort mehr Geschichten von den Unsterblichen wünschen würde, als nach ca. 20 Spielstunden der Abspann über den Bildschirm flimmerte.

Eine dunkle Gasse der Stadt Seren.

Ein schönes Gewand mit technischen Currywurstflecken

Dazu trägt vor allem auch die grundsätzlich sehr schöne Präsentation bei, die sich jedoch auch mit einigen, kleineren Mängeln paart, die vom beschränkten Budget des Titels zeugen. Aveum selbst ist vor allem in Stadtgebieten hübsch designt, die Beleuchtung sieht hochwertig bis atemberaubend aus, Zauber bescheren uns wunderschöne Partikeleffekte und auch die Charaktermodelle überzeugen durch glaubwürdige Designs und sehr ausdrucksstarke Mimik. Jeder Lichtblick hat aber auch Schattenseiten, wie starkes Kantenflimmern und teils verwaschene Texturen. Die Umgebungen sind stehts ein wenig kahl und leer. Zudem können die steifen Sprachanimationen der Charaktere und fehlende Lippensynchronität nicht mit der emotionalen Mimik mithalten. Wiederum über jeden Zweifel erhaben ist die Sprachausgabe, auch in der deutschen Version.

Jak schaut traurig ins leere.

Für das eigentliche Spiel wesentlich gewichtiger ist jedoch die Framerate, die auf der PS5 vor allem in den Zwischensequenzen, bei großen Gefechten im letzten Viertel der Geschichte aber auch gerne mal im laufenden Gameplay einbricht. Das ist die meiste Zeit zu verschmerzen, in einem Shooter aber trotzdem lästig und ärgerlich. Vor allem, weil sich das eigentliche Gameplay und die Gefechte grundsätzlich super anfühlen.

Verzaubernde Gefechte

In Immortals of Aveum nutzen die Magi dreierlei Arten von Magie: Leben (grün), Kraft (blau) und Chaos (rot). Diese repräsentieren im Grunde die verschiedenen Waffengattungen klassischer Shooter. Grüne Zauber feuern vollautomatisch, blaue Zauber sind halbautomatische oder Sniper-Geschosse und rote Magie kommt Schrotflinten gleich. Welche genau wir nutzen, entscheiden die sogenannten Sigillen, von denen wir pro Farbe immer eine anlegen dürfen und zwischen denen wir blitzschnell wechseln. Diese können wir entweder in der Umgebung finden, beim Händler kaufen oder mit gesammelten Materialien schmieden, ebenso wie weitere Ausrüstungsgegenstände, die uns weiter verstärken. Trotz des frischen Magie-Ansatzes suchen wir Innovation hier schonmal vergeblich, da die Sigillen nach wie vor klassisches Waffengameplay darstellen. Zudem macht es unterm Strich kaum einen Unterschied, welche Art von Sigille wir innerhalb der Farben nutzen, da sie sich dabei einfach zu wenig unterscheiden. Ein bisschen Abwechslung kommt immerhin durch die Extra-Zauber ins Spiel, von denen wir ebenfalls einen pro Farbe ausrüsten und die meist etwas stärkere Flächenzauber darstellen. Wesentlich interessanter wird es da schon beim Talentbaum.

Talentbäume aus Immortals of Aveum in den Farben grün, rot und blau.

Zusätzlich sorgen die Magiefarben nämlich auch für verschiedene Bonus- Effekte. Durch Levelaufstiege schalten wir diese in jeweils eigenen Talentbäumen frei. Dabei steht uns frei, ob wir uns auf eine Farbe spezialisieren, oder ein Multitalent sein wollen. Letzteres dürfte zum einen aber vor allem Taktiker eher ansprechen, da sich die Talente untereinander durchaus gut ergänzen können. Verstärken wir zum Beispiel unseren blauen Schildzauber (der niemals übermächtig wird) und kaufen ein grünes Talent, dass uns bei Schildschaden heilt, sind wir bereits ein ganzes Stück ausdauernder im Kampf. Solche Kombos lassen sich zuhauf finden. Zum anderen belohnen uns auch die Gefechte für einen schnellen und stetigen Wechsel zwischen den Farben. Gegner kommen nämlich ebenfalls in den drei Farben daher und sind immer gegen eben jene Farbe besonders anfällig. Zumindest in der Theorie. Ab und zu kommt es vor, dass man offenbar mit den mächtigen roten Zaubern schlicht mehr Schaden gegen einen grünen oder blauen Feind anrichtet als mit den passenden Farben. Ob hier im Balancing noch nachgebessert wird, bleibt abzuwarten. Da es sich hier meist um kleinere Feinde handelt, fällt dieser Punkt jedoch nie wirklich störend ins Gewicht.

Egoperspektive. Jak nutzt den Schildzauber und beschießt Feinde mit blauer Magie.

Die Gefechte sind stets flott, das Zielen funktioniert ordentlich und die Zauber fühlen sich je nach stärke sanft bis wuchtig an. Taktischer Anspruch ist selten gegeben, vielmehr kommt es auf schnelles Schalten und gute Übersicht auf dem Schlachtfeld an. Letztere kann übrigens in großen Kämpfen schnell flöten gehen. Ist man von zig Feinden umzingelt, sieht man im Effektgewitter gerne mal die Shooterhand vor Augen nicht mehr. Der Schwierigkeitsgrad bleibt zwar meist angenehm, speziell im letzten Viertel des Spiels gibt es jedoch Kämpfe, die in dieser Hinsicht wirklich frustrierend werden können. Die eigentlichen Bosse kommen hingegen schon wieder wesentlich klassischer daher, erfordern gut getimtes Ausweichen sowie Schildeinsatz und spielen sich angenehm übersichtlich.

Entdecke die Möglichkeiten

Wer sich durchbeißt, wird mit einem durchweg unterhaltenden und belohnenden Spielfluss belohnt. Immortals of Aveum verzichtet auf eine offene Welt, stattdessen reisen wir per Karte und Portale in mal mehr, mal weniger offene Gebiete moderater Größe. Diese sind optisch durchaus abwechslungsreich gestaltet. Unser Zielmarker ist dabei nur ein unauffälliger weißer Punkt, aber auch nie weiter als eine Ecke entfernt. So kommen wir schnell zum nächsten Story-Ziel, wenn wir uns das wünschen. Wollen wir aber lieber entdecken gehen, können wir in der Umgebung viele optionale Schalterrätsel, Beute und nach dem ersten Spieldurchlauf sogar optionale Bosse finden. Ein offenes Auge wird stehts belohnt, da wir auch simple Ressourcen zum Verbessern bereits gefundener Ausrüstung nutzen können. Man kann also praktisch nie genug davon haben. Die Rätsel sind zwar im Grunde immer dieselben, spielen sich dafür aber auch zügig und unaufdringlich. Zudem macht die Bewegung in Immortals of Aveum einfach Spaß. Mit Doppelsprung und Schwebezauber, sowie den sogenannten „Kraftlinien“, an denen wir einer Turboseilbahn gleich entlangdüsen, sind wir auch ohne zusätzliches Fortbewegungsmittel gut unterwegs. Mit unserem Peitschenzauber ziehen wir uns dazu blitzschnell über Abgründe oder Gegner an uns heran. Wer alle Geheimnisse entdecken möchte, der kann auf die ca. 20 Stunden der Hauptstory also noch einmal gut 10-15 Stunden draufpacken. Sollte den Unsterblichen auch finanzieller Erfolg beschieden sein, werden wir uns in Zukunft auch bestimmt auf weitere Spiele und Geschichten aus Aveum freuen dürfen.

Fazit: 8/10

Immortals of Aveum war für mich wirklich ein wilder Ritt. Ich hatte durchaus Erwartungen an die neue Marke. Die wurden aber auf meiner Reise mit Jak und den Unsterblichen ordentlich durchgewirbelt. Der Titel ist wie ein neuer Rechner mit einem abgefahrenen Gehäuse, von dem einem gesagt wird, er würde vieles neu und besser machen. Schraubt man aber das Gehäuse auf, merkt man, dass eben doch genau dieselben Teile verwendet werden, wie schon in zig Rechnern zuvor. Trotzdem hat dieser Rechner immer noch ordentlich Power. Ascendant Studios klauen für ihr Debut so ziemlich jede Shooter-Mechanik der letzten zehn Jahre und auch Handlung Story-Twists hat es schon mehr als einmal gegeben. Dass Immortals of Aveum trotzdem super unterhält und bei der Stange hält, liegt an der hochwertigen Umsetzung – hervorragend geklaut ist nun mal besser als schlecht selbst gemacht: Punkt. Und auch wenn auf technischer Seite Für und Wider Tennis spielen, bleibt unterm Strich ein angenehm spielbarer und flotter Story-Shooter, der von vorne bis hinten zu unterhalten weiß und der ein Startschuss für eine interessante neue Marke sein könnte.

Dazu kommt, dass den Entwicklern vor allem in Bezug auf die Story sehr wohl bewusst ist, dass hier nichts Originelles geliefert wird. Dafür wird aber im Detail abgeliefert. Auch Charakterschablonen können nun einmal wunderschön verziert sein. So sehr mich die Charakterzeichnung zu Beginn gestört hat: Jak und seine Crew wären 20 Stunden später eine Truppe, mit der ich sofort einen heben gehen würde. Absolut jeder Charakter hat irgendwo einen Makel, menschliche Schwächen oder schlicht sympathische Charakterzüge. Auch die Plot-Twists werden gerne mal aufgebaut, um dann im letzten Moment einen Rückzieher zu machen. Das kann man albern finden, letztendlich hält es aber das Tempo hoch. Auch der Umgangston der Figuren in Aveum ist überraschend flapsig und roh. Immortals will sich hier definitiv vom Ton etablierter Universen abheben. Ob das gelingt, ist Geschmackssache. Das hier aber handwerklich grundsätzlich sauber abgeliefert wurde, das sollte jeder anerkennen können. Einem Erstlingswerk dieses Kalibers ist Erfolg auf jeden Fall zu gönnen.

Von Andre

Spielte Videospiele, noch bevor er Fahrrad fahren konnte. Hat als einer der letzten Zivis den Gedanken an ein Medizinstudium verworfen und stattdessen "irgendwas mit Medien" in der Weltmetropole Ilmenau im beschaulichen Thüringer Wald studiert. Über das Campus-TV schließlich den Weg eines (Video-) Redakteurs eingeschlagen und 4 Jahre lang im Esports-Bereich gearbeitet. Danach gings ins lineare Fernsehen und dann auf die andere Seite des Spektrums in die PR. Weil es ihm aber beim Thema Gaming und anderer medialer Unterhaltungskunst immer noch 24/7 in den Fingern juckt, gibt es jetzt, wann immer es die Freizeit zulässt, Reviews und Previews von ihm.

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