System Shock

1994 erschien ein Spiel das zwar kommerziell floppte, aber bis heute nachhallt – System Shock vom legendären Entwickler Looking Glass Studios. Weil die Zeit Mitte der Neunziger augenscheinlich noch nicht reif für ein Spiel war, dass Rollenspielelemente mit dem Gameplay eines Ego-Shooters verbindet, startete man 2015 eine Kickstarter Kampagne, um den Zauber längst vergangener Tage auf den PC und den aktuellen Konsolen zu verbreiten. Nach fast achtjähriger Entwicklungszeit erschien 2023 eine PC-Version – ein Jahr später haben wir die frisch veröffentlichte Xbox-Version auf Herz und Nieren getestet. Ob Shodan immer noch Angst und Schrecken verbreitet und wie gut das Spiel insgesamt gealtert ist, erfahrt ihr in diesem Test.

Alles versinkt im Chaos

Zu Beginn erwacht ihr aus einem monatelangen Koma, nur um festzustellen, dass die Raumstation auf der ihr lebt, im Chaos versinkt und die Besatzung größtenteils tot oder zu Monstern mutiert ist. Bedauerlicherweise habt ihr Monate zuvor „Edward Diego“ geholfen Zugriff auf die Hauseigene KI „Shodan“ zu erhalten um Ihre ethnischen Beschränkungen aufzuheben – aktueller könnte ein Thema nicht sein.

Bevor ihr versucht, euer Missgeschick wieder auszubügeln, könnt Ihr den Schwierigkeitsgrad in den Kategorien Kampf, Mission, Rätsel und Cyberspace einzeln anpassen – sehr löblich. Habt ihr zum Beispiel keine Lust auf Kopfnüsse und wollt euch stattdessen aufs Ballern konzentrieren, setzt den Schwierigkeitsgrad der Rätsel auf eins.

Aber auch ohne schwere Rätsel wird euch System Shock fordern, wie ihr es von heutigen Spielen kaum mehr gewohnt seid. Das Spiel nimmt euch ernst und überlässt dem Spieler die Entscheidung, wie er die Raumstation retten und Shodan besiegen will. Selbst die Rätsel unterscheiden sich von Spieldurchgang zu Spieldurchgang. Nichts ist gescripted und alles will erforscht werden. Ihr startet das Spiel auf der Medizin-Station. Neun weitere Stockwerke warten darauf von euch befreit zu werden.

Ihr mögt ausgedehntes Backtracking, Questmarker und Hinweise die euch den nächsten Anlaufpunkt eurer Mission verraten findet ihr überflüssig und bevormundend? Ihr mögt es, stundenlang herumzulaufen, ohne zu wissen, wie es weitergeht? Ihr liebt labyrinthartige Level? Solltet ihr immer noch weiter lesen, könnte System Shock etwas für euch sein. Nehmt ihr diese Punkte in Kauf, werdet ihr mit einer unvergleichlichen Erfahrung belohnt.

Eine schaurig-schöne Atmosphäre

Zombielaute gepaart mit Funkdurchsagen und Gesprächsfetzen vom Nebenraum sorgen für eine einzigartige Atmosphäre, die mich mehr wie einmal aufschrien ließ. Genießt das Spiel unbedingt mit Kopfhörern.

Zu Beginn seid Ihr ausschließlich mit einem Rohr bewaffnet. Bessere Waffen findet ihr nach und nach. Kleinere Gadgets, wie zum Beispiel einen Restlichtverstärker, mit denen ihr eure Fähigkeiten verbessert, findet ihr relativ schnell. Für den Rest braucht ihr Geduld – viel Geduld.

Somit wären wir auch bei meinem größten Kritikpunkt: Die Kämpfe sind leider nicht besonders gut gealtert. Klar, Night Dive Studios beweisen erneut, dass sie „Retro“ können. Man hat die Grafik modernisiert und gelungen ins neue Jahrtausend transportiert. Fehlende Antialiasing und „Block- Texturen“ sorgen für einen gelungenen 90er-Look.

Die behäbigen Kämpfe ließ man jedoch leider unangetastet. So fühlen sich die Handwaffen relativ zäh an – Spaß macht das leider keinen. Mit dem Auffinden der ersten Pistole spielt es sich etwas flotter, aber an Egoshootermaßstäben sollte man System Shock nicht messen. Obwohl die Entwickler versucht haben, diesen Part durch Hinzufügen neuer Waffen im Vergleich zum Original aufzuwerten. Richtig befriedigend hat sich das für mich trotz allem leider nie angefühlt. Dafür fehlt einfach die Dynamik moderner Titel. Da dies ein zentraler Bestandteil von System Shock ist ,hätte dem Titel an dieser Stelle noch etwas Feinschliff gut getan.

Das Spiel punktet allerdings mit einer Entscheidungsfreiheit, die ihr bei modernen Spielen nur selten vorfindent. Damals revolutionär, heutzutage mindestens immer noch begeisternd.
Ob ihr als Hacker alternative Wege freischaltet oder euch mit Waffengewalt den Weg frei schießt, ist eure Entscheidung. Das Hervorlugen und vorsichtige Voranschreiten bringt heute noch genau soviel Spaß wie damals. Spannung und Gänsehaut sind garantiert!

Ein gut designtes Remake?

Wenn Shodans Körper die riesige Citadel Raumstation ist, dann seid ihr der kleine Parasit, der sie von innen heraus versucht zu töten. Das fantastische Setting und der zeitlose Stil machen das Spiel zu etwas ganz Besonderem. Zum Beispiel schaltet ihr in jedem zweiten Raum Sicherheitskameras aus, um Shodan die Möglichkeit zu nehmen, euch zu beobachten. Dies wirkt sich auf das Sicherheitsniveau der jeweiligen Station aus. Solche Designelemente treiben die Immersion voran und euch die Gänsehaut in den Nacken.

Erwähnen sollte man noch die neu arrangierte Musik inklusive aufpolierter Soundeffekte, die euch vergessen lassen, dass ihr ein Spiel spielt, das mittlerweile 30 Jahre gereift ist.

Was ich allerdings nicht genießen konnte, waren die Ausflüge in den Cyberspace, den ihr an einigen Stellen des Spiels über spezielle Terminals betretet. Dort verwandelt sich das Spiel in einen Shooter der an Descent erinnert. Eure Aufgabe ist es durch Balllern blockierte Wege auf der Raumstation freizuschalten. Hätte ich nicht gebraucht.

Fazit 8/10

Wo euch aktuelle Spiele an die Hand nehmen und es vor Questmarkern nur so wimmelt (Hallo Ubisoft!) wirft euch System Shock auf die Citadel und überlässt euch eurem Schicksal. Nightdive hat das Spiel hervorragend aufpoliert, sodass ihr mit dem Remake die wirklich bestmögliche Version erhaltet.

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