Life is Strange: Double Exposure

Life is Strange

Max is back!

Life is Strange: Double Exposure knüpft nahtlos an die emotionale Intensität der vorherigen Teile an, bringt dabei jedoch eine neue Reife und Detailfülle in die Serie, die sofort spürbar ist. Der fünfte Teil der Reihe zeigt uns die zurückkehrende Protagonistin Max Caulfield, nun etwa ein Jahrzehnt älter, wie sie zwischen zwei Realitäten hin und her wechselt, um den Mord an ihrer Freundin Safi aufzuklären. Als Artist-in-Residence an einer Universität in New England verbringt Max ihre Zeit auf dem Campus, scherzt mit den TAs, freundet sich mit der Dekanin der Universität an (die zufälligerweise auch Safis Mutter ist) und – bemerkenswert – verwendet ihre Kräfte nicht mehr, seit den Ereignissen des ersten Spiels.

Zugänglichkeit und Optionen für alle

Was mir zuerst aufgefallen ist, als ich das Startmenü erkundet habe: In Double Exposure gibt es ausgeklügelte Accessibility-Optionen, die das Spiel wirklich für jeden zugänglich machen. Besonders die Content-Warnungen, die sich für spezifische Trigger individuell aktivieren oder deaktivieren lassen, bieten ein hohes Maß an Kontrolle für die Spieler, die so selbstbestimmt über ihre Spielerfahrung entscheiden können.

Auch gut gefallen hat mir, dass zu Beginn jedes Kapitels eine breite Auswahl an Outfits für Max zur Verfügung standen, die Max für den Rest des Kapitels getragen hat.

Acht Outfits stehen in jedem Kapitel für Max bereit – die Outdoor-Outfits sind hier immer gleich, die Indoor-Outfits wechseln.

Ein lebendiges und liebevoll gestaltetes Setting

Die Umgebungsgestaltung ist von einer Detailverliebtheit geprägt, die das Gefühl vermittelt, dass jede Ecke und jeder Lichtstrahl eine Geschichte erzählen könnte. Dieser Sinn für das Detail zieht sich durch die gesamte Welt und das Studio zeigt damit seine gewachsene Expertise. Die Liebe zur Umgebung zeigt sich nicht nur in der Kulisse, sondern auch in den Gesprächen und Bewegungen der Charaktere. Die Körpersprache und die Interaktion mit der Welt wirken natürlich und authentisch, was die Bindung zu den Charakteren nur verstärkt. Wie auch bereits im ersten Teil der Reihe kann Max die Unterhaltungen in ihrer Umgebung belauschen. Hier gab es die ein oder andere Nebenhandlung, die zwar nicht storyrelevant, aber so spannend war, dass ich die Charaktere wieder und wieder aufgesucht habe. Und das, obwohl Max nicht einmal mit ihnen interagieren kann. Dadurch wirkt die ganze Welt wahnsinnig lebendig und natürlich.

Detektivarbeit macht ganz schön müde. Man merkt Max an, dass sie inzwischen 27 Jahre alt ist und somit kein Teenager mehr.

Der Soundtrack – ein altbekannter Held

Wie gewohnt glänzt auch der Soundtrack von Double Exposure. Die Musik schafft es, die Stimmung perfekt zu unterstreichen und ist – wie immer – ein unverzichtbarer Begleiter der Geschichte. Die Songs sind fein ausgewählt und transportieren das nostalgische Gefühl der Serie, während sie gleichzeitig neue Töne anschlagen, die Max’ Reife widerspiegeln.

Eine Brücke zwischen den Spielen

Double Exposure fühlt sich deutlich wie ein „Übergangskapitel“ zwischen dem ersten Life is Strange und zukünftigen Teilen der Serie an. Dieser Ansatz ist keineswegs negativ, da es spürbar ist, dass die Story sorgfältig darauf aufgebaut wird, Max’ nächste Schritte vorzubereiten. Jedoch wirkt die Erzählung dadurch in einigen Momenten leicht „railroady“, als ob sie uns auf bestimmte Schienen setzen würde, um die Übergangsarbeit zu leisten.

Die Anspielungen und Verweise auf das erste Spiel sind zahlreich und geschickt platziert. Eine frühe Entscheidung in Double Exposure hängt direkt mit der Entscheidung am Ende des ersten Teils zusammen. In meinem ersten Playthrough hatte Max beispielsweise Bay anstelle von Bae gerettet, was zu einer emotionalen Nachricht von Joyce führte, die Max zu Weihnachten schüchtern fragte, ob sie sich an sie erinnern könne. Solche Szenen geben der Geschichte Tiefe und lassen die Verbindungen zu früheren Ereignissen glaubwürdig erscheinen.

Facettenreiche und glaubhafte Charaktere

Der Cast von Double Exposure ist divers und facettenreich wie nie. Jede Figur hat ihre eigene Geschichte und Tiefe, ihre ganz individuellen Herausforderungen und Eigenheiten, die sie greifbar und realistisch machen. Besonders hervorzuheben ist die Darstellung von Gwen, einer transidenten Professorin am Campus. Sie ist trotz dieses Details eben einfach nur ein Charakter, ein Mensch, eine Frau – ein Schritt, der zeigt, wie ernst das Studio das Thema Diversität und Inklusion nimmt. Dies wirkt hierbei keinesfalls performativ, sondern eher natürlich.

Gwen ist schnell zu einem Lieblingscharakter geworden: Cool, natürlich, witzig.

Max selbst hat sich verändert – sie ist älter, selbstbewusster und flirtet gelegentlich, ohne in eine typische Liebesrolle gedrängt zu werden. Es gibt romantische Optionen, die sich natürlich entwickeln, aber nie erzwungen wirken. Besonders bemerkenswert ist, dass es optional bleibt, ob Max eine Liebesbeziehung eingehen möchte – die Story funktioniert auch ohne Romantik, falls die beiden potenziellen Love Interests uninteressant wirken. Während viele Pricefield-Fans vielleicht enttäuscht darüber sein mögen, wie es zwischen Max und Chloe geendet hat, muss ich dem Studio applaudieren: Diese Entscheidung zeigt, dass Menschen, die gemeinsam aufwachsen und sich in schwierigen Zeiten lieben, nicht zwangsläufig für immer zusammenbleiben müssen. Umstände ändern sich, und genauso tun es die Menschen – oder eben nicht, was Beziehungen ebenso aufbauen oder zerbrechen lassen kann.

Die Qual der Wahl

Das Spiel gibt uns die Wahl, welche der beiden Enden des ersten Spiels als „Canon“ betrachtet wird, respektiert dabei die Spielerentscheidungen und bindet diese geschickt in das neue Abenteuer ein. Max’ Reise wird nicht nur durch ihren Blick nach vorne, sondern auch durch ihren Fokus auf die verdrängte Vergangenheit gelegt, die sich um ihre Zeit in Arcadia Bay dreht. Die Darstellung, wie die Ereignisse des ersten Teils Max’ Fähigkeit, ihre Kräfte zu nutzen, beeinflusst, ist meisterhaft umgesetzt und schafft eine emotionale Tiefe, die sich durch das gesamte Spiel zieht. Wir erleben Max dabei, wie sie ihre alten Tagebucheinträge durchstöbert, (falls das „Bae-Ending“ gewählt wurde) auf Chloes Social-Media-Posts lurkt und die Vergangenheit fast schmerzhaft wiedererlebt.

Diese narrative Entscheidung führt uns als Spieler sowohl in Max’ Vergangenheit als auch in ihre Realität als Zeitreisende. Es ist ein raffinierter Balanceakt zwischen dem Festhalten am Verlorenen und dem Wunsch, endlich in die Zukunft aufzubrechen – eine Geschichte, die uns dazu einlädt, mit Max gemeinsam zu wachsen und unsere eigene Beziehung zur Vergangenheit zu hinterfragen.

Fotografie im Dimensionssprung

Wie bereits im ersten Life is Strange ist Max wieder mit ihrer Kamera unterwegs und fängt Augenblicke ein. Diesmal findet sie jedoch zusätzlich mysteriöse Polaroid-Bilder, die ihr Einblicke in alternative Realitäten bieten und damit den Ton der Story glaubhaft unterstützen. Das frühe Foreshadowing, das direkt im Intro zu sehen ist, lässt die Spannung sofort steigen und macht neugierig auf das, was noch kommt.

Kleine Schönheitsfehler bleiben nicht aus

Ein kleiner Wermutstropfen sind die gelegentlichen Bugs, die jedoch rein kosmetisch bleiben und bisher nichts zerstört haben, was das Spielerlebnis fundamental beeinflusst. Solche Kleinigkeiten zeigen sich beispielsweise in Animationen und kleinen Darstellungsfehlern – für die Story selbst bleiben sie zum Glück bedeutungslos.

Fazit: 9/10

Kunst braucht nicht immer ein Publikum, aber dieses Spiel verdient es definitiv. Life is Strange: Double Exposure schafft es nicht nur, seine kreative Entscheidung, Max zurückzubringen, zu rechtfertigen, sondern legt auch den Grundstein für ein emotionales, tiefgründiges Spiel, das sogar True Colors (2021) als den besten Teil der Serie ablösen könnte.

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