Jede Menge Mythen und Geschichten handeln von dem Herrn aus Transylvanian. Mehreren Historikern zu Folge soll es diesen Graf Dracula tatsächlich gegeben haben. Dieser war kein blutrünstiger Vampir, wie es der Schriftsteller Bram Stoker im gleichnamigen Roman 1897 verfasste. Vielmehr war Vlad III., welcher als die Person hinter dem heute allseits bekannten Vampir steht, laut dem Historiker Heiko Haumann nicht nur für seine Beinamen „Draculea“ oder „der Pfähler“ bekannt, sondern auch für seine Brutalität. Dessen Geschichte und Charakterzüge scheinen der fiktiven Figur wohl direkt auf den Leib geschnitten zu sein.

Was hat dieser Teil dann allerdings mit dem zwar nicht ganz neuen Spiel von „Stunlock Studios“ zu tun? Nach einer längeren und sehr erfolgreichen Early Access-Phase auf Steam dürfen wir nun seit dem Mitte Juni endlich auch auf der PlayStation 5 in die Rolle eines Vampirs oder einer Vampirin schlüpfen. 

Glücklicherweise hat unsere kleine Redaktion die volle Bandbreite des Spiels erhalten und ohne zu zögern, warf ich mir meinen Umhang um und schlüpfte in die Rolle meines Vampir-Egos namens Laszlo. Und nun steigt ein und erlebt die schaurig schönen Abenteuer in einer Welt voller Lämmer, die nur darauf warten, ihr Blut zur Verfügung zu stellen.

Mit Stil geht es auf Blutjagd.

Survival Horror im Vampiruniversum

Solltet ihr verrückterweise noch nichts von „V Rising“ gehört haben, dann findet ihr euch in einem Action-Survival-Rollenspiel wieder. Wem das jetzt auch nichts sagt, der kann sich ein Diablo ohne den ganzen Teufelskram vorstellen. Das Setting ist zwar auch mit einigen Fantasy-Elementen angereichert, dennoch ist das größere Unterscheidungsmerkmal der Survivalaspekt. 

Kurz nach dem Start habt ihr die Möglichkeit, eure eigene Antiheldin bzw. euren Antihelden zu erstellen. Die Charaktererstellung kann man nicht mit einem „Dragon´s Dogma 2“ vergleichen, dennoch bietet es angenehm viel Spielraum, um sich etwas Einzigartiges zu erstellen. 

Im Anschluss wird man auch direkt ins Spiel geworfen. Wir erwachen quasi nach langer Zeit aus unserem Schlaf und stehen plötzlich in ein paar alten Lumpen vor unserem Sarg. Völlig unerschrocken und mit einem kleinen Einstiegstutorial bzgl. der Steuerung bahnen wir uns einen Weg aus dem Gemäuer ins Freie. Nachdem wir ein paar Skelette umgeboxt haben, beginnt der eigentliche Teil unseres Spiels – wie steigen wir schnellstmöglich zum größten Vampir aller Zeiten auf?

Frisch aus dem Sarg geschlüpft stellt sich die Frage, wo es zuerst hingehen soll.

Und was braucht ein guter Vampirfürst? Richtig, eine Menge kleiner gelber Untertanen in deren blauen Latzhosen. Das wäre zwar viel zu gut, aber leider werden wir keine dieser Gestalten im Spiel antreffen. Nein, vielmehr brauchen wir einen geeigneten Unterschlupf von dem wir unsere Touren nach frischem, warmen Blut starten können. Und was bietet sich da besser an, als ein verdammt cooles Schloss? )Bitte stellt euch an dieser Stelle ein wirklich bösartiges Lachen gepaart mit dramatischer Musik vor.) Das geniale an der Sache ist, dass ihr euch durch den besonderen Spielstil euer eigenes Schloss nach euren Vorstellungen bauen könnt.

Jetzt wisst ihr auch, was ich die ganze Zeit im Spiel gemacht habe. Anstatt groß die Welt zu erkunden, verlor ich mich darin, mein Schloss auszubauen und mit sämtlichen Verzierungen zu gestalten. 

Das Schloss baut sich allerdings auch nicht von allein. Wir müssen zuvor Ressourcen sammeln. Das Gute ist, dass wir für den Anfang alle wichtigen Dinge in der Nähe unseres Baugebiets vorfinden. Im späteren Verlauf benötigen wir dann Rohstoffe, welche im Großteil aus Stein, Holz und Pflanzenfasern bestehen. 

Man muss hier schon neidlos anerkennen, dass „V Rising“ hier sehr viel richtig macht. Das Sammeln von Rohstoffen ist sehr simpel, wobei die Möglichkeiten der Verarbeitung riesig sind. Es gibt eine Menge an „Herstellungszweigen“, die letztlich irgendwie aufeinander aufbauen und das hat mich so gefesselt. Wer Spaß an den ganzen Basteleien hat, der wird schnell merken, dass er sich denkt: „Ach komm, diesen Gegenstand baue ich noch schnell.“ Eh man sich versieht, sind schon wieder zwei Stunden vergangen, obwohl man doch eigentlich aufhören wollte. Es greift diesbezüglich alles so schön ineinander. 

Wir bauen uns unser ganz eigenes Schloss.

Für alle anderen, die eher auf Erkundungstour gehen, übernehmen die entsprechenden Gerätschaften wie z. B. Schmelzöfen und Sägewerke die Arbeit. Dafür benötigt es nur eine entsprechende Menge an Blutessenzen und dann kommt der Laden ins Rollen. Wer sich da clever anstellt, kann in kürzester Zeit ein passables Schloss hinzimmern. 

Ein großer Kritikpunkt ist, dass man nicht an die Hand genommen wird bzw. dass einem nicht auf den ersten Blick klar wird, wie man weiterführende Rohstoffe herstellt. Bspw. wird einem der Bauplan für Wetzsteine im Schmelzofen angezeigt, aber nicht erklärt, wie man diesen freischalten kann. Des Weiteren muss man sich auch an die entsprechenden Herstellungstabellen gewöhnen. Diese wirken für Neueinsteiger sehr kompliziert und sind zudem auch ziemlich klein. Nach einer gewissen Spieldauer hat man sich aber daran gewöhnt. 

Neben dem ganzen Bauthema braucht man in den typischen Survival-Spielen aber auch noch Dinge wie Essen und Trinken. „V Rising“ geht diesbezüglich nicht so sehr in die Tiefe wie andere Genrevertreter. Das Einzige, das uns am Leben hält, ist Blut. Läuft die Kugel am linken unteren Rand leer, wars das auch ziemlich zügig mit unserem Blutsauger. Denkt also immer daran, dass ihr genügend Blut besitzt. Falls es doch mal hart an die Reserven geht, findet ihr aber recht zügig ein unschuldiges Reh oder einen ahnungslosen Banditen am Wegesrand, in dessen Blutgefäße ihr eure Zähne rammen könnt. Je nachdem, wen ihr für eure Taten büßen lasst, erhaltet ihr sogar einen kleinen Bonus. Je größer die Stufe des armseligen Geschöpfes, desto höher ist der Bonus.

Wundervolle Spielwelt für alle Hobbybauleiter und Möchtegern-Abenteurer

Falls ihr nicht bereits durch die Begriffe Survival oder Schlossbau angefixt sied, bekommt ihr obendrauf eine sehr schöne, realistisch und mit viel Mühe gestaltete Landschaft präsentiert. An jeder Ecke finden wir nutzbare Ressourcen oder irgendwelches Getier, dass die Spielwelt lebendig erscheinen lässt. Ab und zu kommt man auch mal an einem kleinen Teich mitten im Wald vorbei oder stößt auf eine Höhle, die es zu erkunden gilt. 

Außerdem ist die Landschaft so gestaltet, dass es eine Art Plateau oder „abgezäunten“ Bereich gibt, in dem wir etwas entdecken können. So finden sich unter anderem besondere Gegnertypen, Dörfer oder doch auch Banditenlager. Zwischen diesen Bereichen schlängeln sich die besagten Wege. Das heißt also, dass wir, egal ob gewollt oder ungewollt, immer auf etwas stoßen, sobald wir den Unterschlupf verlassen. 

Es gibt noch jede Menge zu entdecken.

Jetzt könnte man denken, damit wäre die Welt völlig überladen. Die Entwickler haben es aber geschafft, dass man nicht überfordert wird oder denkt: „Nicht schon wieder so ein Banditenlager“. 

Apropos Unterschlupf. Das Design sämtlicher baulicher Gegenstände ist einfach ein Traum für jeden, der etwas auf dieses Genre hält. Klar nicht jedes Element kann und muss man neu denken, aber allein die „alles-fressende-Truhe“ á la Darksouls ist ein persönliches Highlight. Hinzu kommen diverse Varianten von Türen, Fenster, Särgen, Bodenbelegen, Wänden u. v. m. Ihr merkt also, weshalb ich den Großteil eher innerhalb anstatt außerhalb meines Schlosses aufgehalten habe. 

„1“ Tage seitdem die letzte abgetrennte Hand gefunden wurde.

Ein Detail, welches bisher nicht erwähnt wurde, bringt das Spielerlebnis auf ein ganz anderes Level – der Tag-Nacht-Rhythmus. Ich denke, ihr seid alle damit vertraut, dass Vampire nicht mit Knoblauch oder dem Sonnenlicht in Kontakt kommen dürfen. Letzteres ist genau der ausschlaggebende Punkt. Sobald sich unser Möchtegern-Vampirfürst in der Sonne aufhält, wird er nicht nur theoretisch, sondern auch förmlich gegrillt. Wenn man also nicht die 50er-Sonnencreme eingepackt hat, sollte man die UV-Strahlung tunlichst meiden. Ein Glück, dass die Entwickler genügend schattige Plätzchen eingebaut haben. Passt man mal nicht auf, hat man durchaus auch Zeit für seine Freundin, da man wohl oder übel im Schatten des nächstgelegenen Baumes gefangen ist, bis die Nacht hereinbricht. 

Es wird wohl Zeit aus der Sonne herauszugehen.

Neben der riesigen Spielwelt und den vielen Orten, die es zu entdecken gilt, ist es meiner Ansicht nach schade, dass mir noch kein kleines Rätsel begegnet ist. Möglicherweise habe ich noch keines gefunden und ich täusche mich jetzt, aber da wäre noch ein wenig Abwechslung vom ganzen Haudrauf möglich gewesen.

Story gestaltet sich eher als blutleer

Das Spiel wird im Menü in mehrere Akte unterteilt. Insgesamt durchlaufen wir 4 Akte, um am Ende der Größte und Tollste von allen zu sein. Um einen Kapitel abzuschließen müssen wir besondere Gegner/Endbosse besiegen und von deren Blut trinken. Damit erhält unser Charakter neue Fähigkeiten und neue Bauelemente. Wer also nicht weiß, wie er neue Baupläne freischaltet, der sollte in diesem Reiter nachschauen. 

Irgendwo hat alles seinen Anfang.

Und das war’s eigentlich auch schon. Gut wir erhalten immer noch ein paar Quests von wegen baue dies oder jenes oder können uns einen kleinen Infotext zum nächsten Endgegner durchlesen, aber das ist für ein Spiel dieser Qualität zu wenig. 

Man hätte ja mal sein Schloss für einer wütenden Menschenmenge mit ihren Pfählen verteidigen können oder nach einem Artefakt suchen, dass einem zusätzliche Macht verleiht. Aber bisher hat mich sowas alles nicht erreicht. Gut ich muss gestehen, ich eher gebaut als gekämpft habe und es im späteren Verlauf noch an Fahrt aufnimmt. Allerdings bezweifle ich das. 

Dennoch muss man dem Spiel zu Gute halten, dass die Bossgegner doch alle ihren eigenen Charme besitzen. Jeder Gegner hat so seine Besonderheiten. Manchmal fliegen mehrere Pfeile auf uns zu denen wir gekonnt ausweichen müssen oder man wirft plötzlich mit Bomben nach uns, die einen ordentlichen Flächenschaden machen. Hier ist wieder viel Liebe ins Detail geflossen.

Auf dem Weg dem Steinbrecher ganz andere Dinge zu brechen.

Multiplayer für den doppelten Vampirspaß

Ein großer Pluspunkt ist auch der Multiplayer-Modus. Hier können wir zwischen PvE und PvP wählen. Wer sich die gefundene Ausrüstung nicht von anderen Spielern klauen lassen möchte, der sollte entweder eine gute eigene Truppe ins Feld führen oder lieber den PvE-Modus wählen. Hier kann man mit bis zu vier Spielern die Welt unsicher machen. Ob die Schwierigkeit in dem Moment nicht verringert wird und man doch zügiger Akt IV erreicht, kann leider nicht beurteilt werden. Es fehlte mir leider an Mitspielern. Dennoch wird das Abbauen von Rohstoffen deutlich erleichtert und in dem Zusammenhang natürlich auch der Bau des Schlosses. Und sind wir ehrlich, mit einem Kumpel durch die Welt zu streifen, ist eh deutlich lustiger als ohne. 

Wer kommt mit auf die Jagd?

Für wen das aber alles zu langweilig ist, der kann sich im PvP beweisen. Je nach eigener Gruppenstärke kann man zwischen den Modi für drei bis vier Personen oder ein bis zwei Personen entscheiden. Je nach Wahl darf man eine Stunde ungestört agieren, bevor man Frischfleisch für die anderen Spieler wird.

Fazit 9/10

Ich muss es ganz eindeutig gestehen, „V Rising“ ist eines der besten Spiele, welche ich bisher gespielt habe. Das Spiel läuft nicht nur einwandfrei und ist grafisch ganz schön anzuschauen, sondern bietet dem Spieler bzw. der Spielerin ein unfassbares Spielerlebnis. Die Möglichkeiten, das eigene Schloss nach seinen Vorstellungen zu bauen, lassen Einen Stunde um Stunde im Spiel verweilen. Besonders die Detailverliebtheit an einigen Stellen ist den Entwicklern hoch anzurechnen. 

Ich hätte mir nur etwas mehr Story gewünscht, um ein noch genialeres Erlebnis vor allem im Einzelspielermodus zu erreichen. Fraglich ist außerdem, ob man die Drehweise der Kamera für Playstation-Spieler ändert. Eine Taste in Kombination mit dem Joystick ist für den geübten Konsolero sehr ungewöhnlich. 

Wer die Chance hat und nach einem Action-RPG mit Survivalanteilen sucht, der kommt an „V Rising“ nicht vorbei. Die Ausgabe wird sich lohnen, vor allem wenn man mit einem Freund auf Blutjagd geht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert