Titelbild von Tales of Kenzera: ZAU. Links steht Zau, an seinem Bein lehnt Zuberi und liest ein Buch. Rechts oben in der Ecke steht der Titel des Spiels.

Tales of Kenzera: ZAU ist das Erstlingswerk des britischen Indie Film- und Games Studios SURGENT. Dessen kreative Leitung obliegt dem britischen Schauspieler Abubakar Salim, der unter Anderem Bayek aus Assassin’s Creed – Origins verkörpert hat. So wundert es nur wenig, dass der Metroidvania–Titel vor allem mit einer berührenden Geschichte punkten will. Die dreht sich um das sensible Thema Trauer und deren Bewältigung Ob das der neuesten Veröffentlichung aus dem EA Originals–Programm gelingt, erfahrt ihr in unserem Test der PS5–Version.

Tales of Kenzera in der Tale of Kenzera

Die Geschichte spielt im fiktiven afrikanischen Zukunftsstaat Kenzera, der optisch stark an Wakanda aus den Marvel Comics und Filmen angelehnt ist und läuft auf zwei Ebenen ab. Zunächst lernen wir Hauptcharakter Zuberi kennen, der den kürzlichen Verlust seines Vaters nicht verarbeiten kann. Dieser hat ihm jedoch ein selbst verfasstes Buch hinterlassen, das die Geschichte des jungen Nganga (ein Heiler–Schamane) Zau erzählt.

Dieser hat dasselbe Schicksal wie Zuberi zu verarbeiten und ruft in seiner Trauer den vermeintlichen Gott der Toten „Kalunga“ herbei, um mit ihm zu verhandeln. Sollte es Zau gelingen, drei große Geister, die sich weigern, ins Reich der Toten einzugehen, weiterzuschicken, soll Kalunga ihm seinen Vater zurückbringen. Hier findet der Hauptteil des Spiels statt.

Zuberi steht im Abendlicht auf seinem Balkon, im Hintergrund die futuristische Stadt. Er muss sich das weinen verkneifen.
Trotz Cartoon-Grafik werden Emotionen gut transportiert. Die schöne Lichtsetzung tut ihr Übriges.

Die Reise führt Zau und Kalunga quer durch die alternative Version von Kenzera und lebt dabei vor allem von der fantastischen Chemie der beiden. Kalunga ist keineswegs eine allwissende oder gar unfehlbare, göttliche Entität. So kommt es zwischen den Hauptfiguren regelmäßig zu neckischen Kabbeleien oder rührenden Gesprächen gleichermaßen. Der Ausgang der Geschichte bleibt dabei stark vorhersehbar. Dennoch bleibt man gerne am Ball, zumal die Spieldauer mit ca. 8-10 Stunden moderat ausfällt und man kaum Gelegenheit bekommt, sich zu langweilen.

Trauerbewältigung sah selten schöner aus

Das liegt nicht zuletzt an der schönen Optik von Tales of Kenzera: ZAU. Die Grafik kommt in stark cartoonhaftem 3D daher und erinnert ein wenig an eine moderne Version des World of WarCraft–Stils. Allzu aufwendige Texturen brauchen wir nicht zu suchen, was vor allem in den – wenigen – Zwischensequenzen auffällt. Doch die braucht Kenzera auch gar nicht, um unsere Sehnerven zu begeistern.

Grasland von Kenzera. Zau geht mit seiner gelben Sonnenmaske einen gepflasterten Weg entlang.
Die Umgebungen sehen mit ihren belebten Hintergründen allesamt wunderschön aus.

Das wunderschöne Design der Spielwelt funktioniert zu jeder Zeit blendend und sorgt mit wunderschönen Hintergründen für regelmäßige Hingucker, ohne uns zu sehr abzulenken. Dabei werden nahezu alle Umgebungen eingebaut, die ein afrikanisches Setting mitbringt. Wir starten in grünen Steppen, erkunden dunkle Höhlen, karge Einöden und erklimmen sogar einen Vulkan. Wir haben auf der PS5 die Wahl zwischen einem Performance- und einem Grafikmodus. Vom Grafikmodus profitiert das Spiel aber kaum, weshalb ich jederzeit den Performance-Modus empfehlen würde.

In den Dialogen erwarten uns wunderschöne Porträts in den Textboxen, die die Emotionen der Figuren gut einfangen. Alle Dialoge sind hochwertig auf Englisch vertont. Für noch mehr Atmosphäre können wir die Sprachausgabe sogar auf die afrikanische Sprache Kiswahili einstellen. Abgerundet wird das Paket durch wunderschöne Lichtstimmung und Partikeleffekte.

Dialogfenster mit Zuberi links und seiner Mutter rechts im Bild. Sie übergibt ihm das Buch seines Vaters.
Es macht Spaß, den atmosphärischen Dialogen zu lauschen. Die Ufern auch selten aus; es gibt keinen Grund, sie zu überspringen.

Niemand hat gesagt, dass es leicht werden würde

Leider stellen letztere aber auch gerne mal ein Problem dar. Und zwar in Bezug aufs Gameplay.

Metroidvania typisch bewegen wir uns trotz 3D–Umgebung stehts von links nach rechts oder umgekehrt. Die Steuerung geht dabei grundsätzlich gut von der Hand und lässt sich, dank überschaubarer Manöver, schnell verinnerlichen. Wir bewältigen Jump ´n Run–Passagen per Doppelsprung oder Dash–Manöver und decken somit weitere Teile der großen Karte auf. Im Vergleich zu Kollegen wie etwa Ori & the Blind Forest oder eben Metroid, bei denen sich Zau ausgiebig bedient, ist der Weg aber stehts recht klar vorgegeben. Auf unserem Weg begegnen uns natürlich regelmäßig Feinde in Geistergestalt, die es auszutreiben gilt.

Karte von Tales of Kenzera: ZAU.
Die Karte hält für ein Matroidvania recht wenig Überraschungen bereit. Der Weg ist meist klar und wir müssen keine unscheinbaren Wände wegsprengen, um an Upgrades zu kommen.

Dazu wechseln wir zwischen Zaus magischen Masken: Mond und Sonne. Während die Mondmaske uns zu diversen Fernkampfangriffen befähigt, gibt uns die Sonnenmaske Klingen und entsprechende Nahkampfangriffe an die Hand. Die Gegner bringen teils bestimmte Schwächen mit, die wir durch gekonnten Wechsel der Masken ausnutzen. So entsteht mit etwas Übung ein wahrer Tanz durch Level und Feinde – meistens zumindest.

Denn zum einen sorgen besagte Partikeleffekte bei wilden und schnellen Bewegungen gerne mal dafür, dass wir Zau in wilden Gefechten selbst aus den Augen verlieren. Zum anderen machen sie es in manchen Situationen schwer, Kontakte und Kollisionen korrekt einzuschätzen. Das kann gelegentlich frustrieren, sowohl in Kämpfen als auch in Geschicklichkeitspassagen. Dazu kommt, dass die Kamera Zau oft etwas zu träge folgt und wir nicht so weit vorausschauen können, wie es für kontrollierte Manöver eigentlich nötig wäre.

Zau feuert einen blauen Strahl auf einen Gegner ab, der sich auflöst.
Könnt ihr Zau in diesem Bild in unter 5 Sekunden finden? Nein? Eben!

Ganz stark wirkt sich das in einer Fluchtpassage aus, die ebenfalls aus den Ori–Spielen stammen könnte. Hier wird Tales of Kenzera: Zau zur Trial&Error–Orgie, die massiv an den Nerven zerren kann. Gegen Ende gibt es auch bestimmte Stachelwände, deren Kollisionsabfrage nicht immer logisch erscheint.

Die Stacheln wie hier unten links im Bild vermitteln aufgrund der Kameraperspektive nicht immer ein glaubwürdiges Bild ihrer Kollisionsabfrage. Oft wagen wir uns zu nah ran.

Warum Tales of Kenzera: ZAU erst schlimmer wird, bevor es besser wird

Leider sind das auch nicht die einzigen Schwierigkeiten, mit denen Tales of Kenzera: Zau zu kämpfen hat. Denn besonders Kämpfe gegen Gruppen von Gegnern in der Mitte des Spiels sind gerne mal schlicht und ergreifend unfair. Wir können Gegner gegen Wände oder ineinander stoßen, um ihnen zu schaden und sie zu betäuben — das geht aber auch umgekehrt!

Werden wir dann Opfer einer solchen Attacke und es sind noch zu viele Gegner übrig, können wir meist gar nicht mehr aufstehen, bevor uns die Lebensenergie ausgeht. Dann kann uns ein einziger Fehler das Leben kosten und macht unsere Lebensanzeige plus Heilungsfähigkeit zur Farce. Besonders frustrierend sind gepanzerte Gegner, die gegen Betäubung immun sind, solange noch Schildenergie vorhanden ist. Die müssen wir dann beharken, teils sogar mit einer bestimmten Maske, während andere Gegner mit Schüssen auf uns feuern.

Zau hat mit der Mondmaske einen Wasserfall eingefroren.
Zaus Maskenfähigkeiten helfen nicht nur im Kampf, sondern können auch die Umgebung manipulieren. Hier wird etwa ein Wasserfall eingefroren, um den Fluss entlanglaufen zu können.

Jetzt könnte man natürlich sagen: „Dann weich doch aus…“. Klar, das ginge. Aber sobald wir uns aufs Ausweichen der vielen Attacken konzentrieren, lädt sich die Schildenergie der Gegner wieder unfair schnell auf und der ganze Spaß mündet in einen ewigen Kreislauf. Zudem sind Gegner oft genauso schnell wie Zau. Dafür müssen wir etwa, wenn wir beim Tragen der Mondmaske die Richtung ändern, die komplette Drehung von Zau abwarten, bis wir in die andere Richtung schießen können. Das macht viele Kämpfe unnötig ermüdend und einfach frustrierend.

Erst gegen Ende des Spiels bekommen wir Fähigkeiten, die diese Einseitigkeit teilweise aushebeln. Die bekommen wir entweder durch das Aufspüren von Statuen in der Spielwelt oder das Verteilen von Fähigkeitspunkten auf sehr simplen Talentbäumen. Jede Maske hat dabei ihren eigenen Baum.

Talentbaummenü für die Mond- und Sonnenmaske.
Die Talentbäume sind nicht sonderlich komplex, trotzdem freut man sich auf jedes Upgrade.

Die schönen Momente überwiegen aufs Zaus Reise

Die letzten paar Absätze habe ich jetzt viel – vielleicht erschreckend viel – über Frustmomente gemeckert. Das zeigt aber nur, wie ärgerlich ich darüber bin, wie sehr diese Makel den sonst wirklich tollen Spielfluss stören. Dass ich trotzdem eine Menge Spaß mit Tales of Kenzera: ZAU hatte, liegt daran, dass die Rücksetzpunkte fast immer extrem großzügig gesetzt sind und ein Wiedereinstieg nur ein paar Sekunden dauert. Nur bereits erwähnte Fluchtpassage bereitet mir noch immer Albträume.

Außerdem treten erwähnte Frustsituationen immer pointiert auf. Dazwischen befinden sich dann wieder recht lange Passagen mit nur wenig Gegnern, die dann wiederum kaum eine Chance gegen uns haben. Dann kommt auch das Gameplay vernünftig zum Tragen und wir fliegen geradezu durch Kenzera. Noch gar nicht erwähnt habe ich: die Bosskämpfe. Die sind zwar nicht sonderlich originell, aber cool inszeniert und optisch wuchtig. Definitiv ein Highlight des Spiels.

Der erste Boss ist besiegt und verneigt sein Haupt vor Zau.
Die Bosskämpfe gegen die großen Geister sind ganz ansprechend inszeniert. Ihre Muster sind jedoch nicht sonderlich originell.

Dazu kommt eben die schöne Geschichte und Charakterentwicklung, die Zau und Kalunga durchleben, während sie die verschiedenen Einwohner Kenzeras treffen. Generell ist Tales of Kenzera: Zau ein sehr kurzweiliges Spiel. Es bietet zwar keinen großen Wiederspielwert und hat vor allem seinen prominenten Genrekollegen nicht wirklich etwas voraus. Trotzdem bin ich dankbar, dass es dieses Spiel gibt. Denn allein schon Setting und Prämisse von Tales of Kenzera: Zau sind in der Videospielewelt (noch) absolut unterpräsentiert.  

FAZIT: 7/10

Tales of Kenzera: ZAU fängt das Gefühl, das es transportieren möchte, tatsächlich extrem gut ein. Trauerbewältigung passiert nicht von heute of morgen. Es ist ein Prozess, der auch von Rückschlägen geprägt sein kann und immer wieder auftretender Wut darüber, dass das Leben einfach nicht fair ist. Genau solche Situationen und Gefühle bringt auch das Spiel immer wieder hervor, sowohl in seinen Hauptfiguren als auch mir als Spieler.

Das fängt bei unfairen Kämpfen an, geht bei manchmal unsauberen Kollisionsabfragen weiter und hört bei miserabler Kameraführung auf. Ob gewollt oder nicht, als Kunstwerk und spielbare Metapher funktioniert das Debut von SURGENT Studio damit einwandfrei. Leider bringt es spielerisch dann doch einige Stolpersteine mit sich. So sehr Frust zur Prämisse von Zaus Reise passt: für den Spielspaß ist er ein absoluter Killer.

Trotzdem verzeihe ich Tales of Kenzera: ZAU seine Macken schlussendlich gerne. Denn in den guten Momenten, die immer noch den Löwenanteil der angenehm kompakten Spielzeit ausmachen, erlebe ich hier ein technisch und erzählerisch schönes Metroidvania ohne Bugs, dafür mit gutem Flow. Dazu kommen Charaktere, mit denen ich mitfühle. Ich bleibe allein schon deshalb am Ball, weil ich Zau und Zuberi zu ihrem Seelenheil führen will. Außerdem fallen zumeist auch die Ecken und Kanten im Gameplay nicht zu sehr ins Gewicht. Als der Abspann über den Bildschirm flimmerte, war ich einfach froh und erleichtert, die Reise bis zum Ende gegangen zu sein. Ich bin gespannt, was wir von SURGENT noch erwarten können und ob in Zukunft sogar noch weitere spannende Geschichten in Kenzera auf uns warten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert