Mit Split Fiction hat sich das Studio Hazelight zurückgemeldet, die sich bereits mit den Zwei-Spieler Abenteuern A Way Out und It Takes Two einen Namen gemacht haben. Als Nachfolger im Geiste von It Takes Two setzt auch Split Fiction auf ein (zwingend) kooperatives Jump ’n Run Erlebnis. Ob es seinen extrem beliebten Vorgänger – der immerhin Spiel des Jahres wurde – übertrumpfen kann?
Geschichten über Geschichten
Split Fiction handelt von den angehenden Autorinnen Mio und Zoe, die vom Publisher Rader eingeladen werden, eine neue Technologie zu testen. Damit soll es möglich sein, Geschichten in einer virtuellen Umgebung zu erleben, statt sie nur zu lesen oder anzuschauen. Da der zynischen Mio die Angelegenheit aber letztlich doch zu haarig wird, will sie aussteigen. Rader höchstpersönlich will aber kein Nein akzeptieren. Infolge eines Handgemenges landen Mio und Zoe im gleichen Anschluss der Maschine, mit der Rader die Geschichten der Autorinnen aus ihren Gehirnen ausliest.
Folglich müssen die beiden nun gemeinsam die Geschichten in ihrem Kopf durchleben, um wieder zu Bewusstsein zu kommen. Damit ist die Handlung von Split Fiction im Grunde auch schon erzählt. Doch dank seiner grundsoliden Inszenierung und seinen sympathischen Protagonistinnen hält das Spiel trotzdem bis zum Abspann sehr gut bei der Stange. Man sieht den beiden grundverschiedenen Frauen einfach gerne dabei zu, wie sie auf Ihrer Reise von Fremden zu Freundinnen werden und dabei sogar ihre inneren Dämonen besiegen. Ihre Entwicklung funktioniert dabei meiner Meinung nach um Einiges besser als bei Cody und Mae aus It Takes Two.
Natürlich haben auch Zoe und Mio beide ihre Päckchen zu tragen und bieten – im Gegensatz zum Bösewicht – mehr Tiefgang als es anfangs scheint.
Gameplay-Wundertüte die zweite
Wie schon sein Vorgänger baut Split Fiction voll auf simpelste (aber dafür entsprechend eingängige) Jump ’n Run kost. Außer Doppelsprüngen, Schwingen am Greifhaken und einem Dash bzw. einer Ausweichrolle können wir erstmal nicht viel tun. Dafür bekommen Mio und Zoe in jeder neuen Geschichte eine jeweils ganz eigene Fähigkeit oder ein Werkzeug spendiert, das ganz neue Möglichkeiten eröffnet. In einer Geschichte züchten wir uns sogar waschechte Drachen heran. Wie schon im Vorgänger strotzen die Einfälle der Entwickler dermaßen vor Vielfalt, dass es eigentlich nie langweilig wird.
Dafür sorgt auch der noch etwas zügigere Spielablauf. Die Level sind sehr schlauchig designt; Raum für Umwege bleibt äußerst selten. Wie in einem Vergnügungspark ist alles darauf ausgelegt uns schnellstmöglich zur nächsten Attraktion zu lotsen. Mios Geschichten bringen uns in Science-Fiction-Szenarien, während Zoe klassische Fantasy schreibt. Die Fähigkeiten der beiden ergänzen sich dabei jeweils auf natürliche Art und beide müssen stetig zusammenarbeiten, um weiterzukommen.
Split Fiction ist, wenn der Spaß gewinnt
Dank eines extrem simplen Wiederbelebungssystems mit endlos Leben und massig Checkpoints oder auch Speicherpunkten kann in Split Fiction nahezu jeder unser Koop-Partner werden. Ich habe das Spiel – wie auch schon A Way Out und It Takes Two – zusammen mit meiner Frau gespielt, die sonst selten zum Controller greift. Dank der überwiegend super präzisen, aber auch fehlerverzeihenden Steuerung kam sie trotzdem recht schnell wieder ins Spiel.
Häufig kann jeder eine Weile lang im eigenen Tempo spielen. Aufeinander warten ist aber dann doch irgendwie schöner.
Die Level sind dabei so designt, dass Mio und Zoe nahezu exakt den gleichen Anteil am Fortschritt bekommen. Ist eine von beiden für einen bestimmten Teil der Aufgaben scheinbar wichtiger, als die andere, dann können wir uns sicher sein, dass sich das im nächsten Teil wieder umdreht. Auch der Schwierigkeitsgrad bleibt stets moderat und wenn meine Frau in einer der vielen Verfolgungssequenzen doch einmal überfordert war, dann konnte sie sich auch einfach so „durchsterben“. Man bleibt eigentlich selten lange an einer Stelle hängen und die Freude ist groß, wenn ein neuer Abschnitt geschafft ist.
Denn Split Fiction wird gerne mal ein ganzes Stück chaotischer, als seine Vorgänger. Ähnlich wie bei Mario Kart kommt da die ganze Palette der Emotionen zum Tragen. Es wird zusammen gelacht, geschrien und sich auch mal gegenseitig auf die Palme gebracht (schönen Gruß an dieser Stelle an die Laserpeitsche mit Friendly Fire). Da bleibt für Langeweile keine Sekunde übrig.
Split Fiction sieht zudem wirklich sehr schön aus. Die Charaktermodelle wurden nochmal einen Ticken verbessert und wirken nicht mehr so unfreiwillig puppenhaft wie zum Beispiel die Tochter aus It Takes Two. In der absoluten Grafik-Top-Riege kann das Koop-Abenteuer zwar nicht mitspielen. Dafür sind alle Umgebungen schön und mit liebe zum Detail designt, ohne vom Wesentlichen abzulenken. Leider sorgen die doch sehr klassischen Settings Science-Fiction und Fantasy eben auch dafür, dass uns eigentlich nicht mehr viel überraschen kann und vieles wirkt ein bisschen wie von der Stange. Da war das Schrumpf-Setting des Vorgängers unverbrauchter.
Doch die Abwechslung kommt über die heimlichen Helden in Split Fiction rein: Die Nebenstränge. Diese kleinen One-Shot Abenteuer sind optionale, recht offensichtlich verteilte Bonuslevel von etwa 10-20 Minuten Länge, bei denen Hazelight kreativ richtig vom Leder zieht. Ich will deshalb auch gar nicht viel spoilern, aber von „Ok, das ist cool!“ über „Was zum Geier ist hier gerade passiert!?“ bis „NIMM DIE ENTE!!“, sind ein paar wilde Sätze durchs Wohnzimmer geflogen. Außerdem liefern die Nebenstränge auch den beiden Hauptfiguren noch ein bisschen mehr Charakter.
Wie lange Split Fiction Spaß macht, hängt letztlich von den Fähigkeiten der Spielenden ab. Profis, die zügig durchziehen dürften schon nach gut 8 bis zehn Stunden den Abspann sehen. Sind Neulinge dabei, dann kann alles schonmal wesentlich länger dauern. Im Schnitt dürfte das Durchspielen mit allen Nebensträngen etwa 15 bis 20 Stunden dauern.
Was die Technik sonst so bietet
Die solide Grafik von Split Fiction wurde bereits erwähnt. Doch was kommt aus den Boxen? Zum einen ein zwar schöner, aber auch ebenso generischer Soundtrack wie die Hauptsettings es eben gebieten. Zum Anderen aber auch eine sehr gute deutsche Sprachausgabe und das ist nun mal leider keine Selbstverständlichkeit. Leider sind die Dialoge manchmal etwas unsauber abgemischt und werden zwischendurch sehr leise.
Ansonsten ist Split Fiction aber vor allem eines: extrem fertig! Nicht erst ein Blick auf den Staff im Abspann verrät uns, wie viel Arbeit hier vor allem ins Testing und in die Qualitätssicherung geflossen ist. Nur ein einziges Mal ist uns ein Bug untergekommen, bei dem Zoe durch den Boden der Welt fiel und auch das is das der vielen Checkpoints quasi unerheblich. Split Fiction schafft es, das sterben zu etwas zu machen, was man regelmäßig weg lacht.
Mit Split Fiction macht es sich Hazelight endgültig auf dem Koop-Thron bequem. Und wieder einmal sind Abwechslung, tadellose Spielbarkeit, ein gesundes Maß an ulkigem Chaos, aber vor allem die vollkommene Gleichberechtigung der Spielenden die ganz großen Pluspunkte der Spielerfahrung.
Ob man Split Fiction nun besser finden muss, als seinen schon großartigen Vorgänger, ist letztlich Geschmackssache. Das Schrumpfsetting aus It Takes Two war zweifelsohne weniger ausgelutscht als Science-Fiction und Fantasy, auch wirkt Split Fiction noch etwas schlauchiger und geführter. Technisch und vor allem in Bezug auf die Story, Inszenierung und Charaktere hat Split Fiction für mich aber die Nase vorn.
Split Fiction ist bis zum Rand vollgestopft mit Easter Eggs und popkulturellen Anspielungen, auch auf die eigenen Vorgänger.
Wer auf der Suche nach einem soliden Jump ’n Run ohne viel Anspruch, aber in jedem Fall einem großartigen und emotionalen, gemeinsamen Erlebnis mit Freunden oder Partner/-in ist, bekommt derzeit keine bessere Alternative. Auch deshalb, weil nur ein Spiel nötig ist, damit beide Spielen können, selbst wenn online gespielt wird und nicht zu zweit auf einer Couch
Spielte Videospiele, noch bevor er Fahrrad fahren konnte. Hat als einer der letzten Zivis den Gedanken an ein Medizinstudium verworfen und stattdessen „irgendwas mit Medien“ in der Weltmetropole Ilmenau im beschaulichen Thüringer Wald studiert. Über das Campus-TV schließlich den Weg eines (Video-) Redakteurs eingeschlagen und 4 Jahre lang im Esports-Bereich gearbeitet. Danach gings ins lineare Fernsehen, dann auf die andere Seite des Spektrums in die PR und schließlich zum Reisemagazin von Urlaubstracker. Weil es ihm aber beim Thema Gaming und anderer medialer Unterhaltungskunst immer noch 24/7 in den Fingern juckt, gibt es jetzt, wann immer es die Freizeit zulässt, Reviews und Previews von ihm.
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