Indiana Jones und der große Kreis
Lange ist es her, dass Indiana Jones-Fans mit einem würdigen, neuen Spiel bedacht wurden. Viele denken dabei wohl noch mit nostalgischem Seufzen an das Point&Click-Adventure Fate of Atlantis zurück. Auch die letzten beiden Leinwandabenteuer um den berühmten Archäologen ließen viel vom alten Glanz des Franchise vermissen. Bei Der große Kreis dürften viele Indy-Fans wässrige Augen bekommen, denn das neueste Game von Entwickler Machinegames bedient gleich beide Durststrecken – und das äußerst würdig!
Einmal um die ganze Welt
Zum Einen bietet Indiana Jones und der große Kreis eine Geschichte, die sich wunderbar an den ersten drei Filmen orientiert und sowohl inszenatorisch als auch auf Handlungsebene gut mit den Vorlagen mithalten kann. Passenderweise ordnet sich das Abenteuer auch chronologisch zwischen Jäger des verlorenen Schatzes und Der letzte Kreuzzug ein. Dr. Henry Walton Jones wacht in seinem Büro aus unruhigen Träumen auf und bemerkt einen Einbruch im Museum seines Colleges. Ein riesiger Hüne stielt eine erst kürzlich ausgegrabene Tempelkatze und knockt Indy kurzerhand aus. Die Spur führt zum Vatikan.
Eigentlich will Indy nur seine gestohlene Katze wiederhaben und reist dem übergroßen Dieb hinterher. Doch wie es sich für ein Archäologen-Abenteuer gehört, entspinnt sich ein Mysterium, das den coolen Professor kreuz und quer über den Globus, auf den namensgebenden großen Kreis, führt. Natürlich schließt sich Jones abermals ein gewitzter, weiblicher Sidekick an. Diesmal in Form der kompromisslosen, italienischen Journalistin Gina Lombardi. Gemeinsam machen sich die beiden auf, das Geheimnis des Kreises und seiner Artefakte zu lüften; immer im Wettlauf mit dem Nazi-Sturmanführer Voss.
Indy wird im englischen Original von Game-Synchronstar Troy Baker vertont und auch die deutsche Synchro bekommt eine neue Stimme. Beide machen ihren Job außerordentlich gut und kommen erstaunlich nah an die jeweiligen Originale heran. Die gesamte Vertonung und Soundkulisse schafft einen hochwertigen Spagat aus Performance und Nostalgie. Bösewicht Voss klingt herrlich eklig-extravagant und in Kämpfen schallern bei Schlägen die gnadenlos überzogenen Ohrfeigensounds der 80er aus den Boxen. Prächtig!
Gut schau’n Sie aus, Dr. Jones! Meistens.
Grafisch gibt sich das neue Indy Spiel wirklich überzeugend. Die Charaktermodelle sind gut gelungen und die Beleuchtung kann in ihren besten Momenten Kinnladen herunterklappen lassen, vor allem mit Raytracing. Wer eine topmoderne Grafikkarte im Rechner stecken hat, darf seit einem Patch auch Pathtracing einschalten und auf noch stimmungsvollere Lichteffekte hoffen. Leider sind Schatten oft merkwürdig fransig. Auf der anderen Seite braucht es zum Glück nur eine Mittelklasse-Karte, um das Spiel mit annehmbarer Bildrate spielen zu können. Trotzdem fällt auf, dass diese gerade in stark beleuchteten Außenbereichen merklich zittert. In dunklen Katakomben wird’s nochmal einen deutlichen Tick flüssiger.
Ohne Makel ist die Präsentation aber bei weitem nicht. Viele Animationen sind ein wenig steif, Lippen sind selten Synchron mit der Tonspur und die Qualität der Mimik schwankt stark. Texturen der Umgebung (wir bereisen unter anderem den Vatikan, Gizeh, das Himalaya oder den Dschungel von Skhotai) und Gegenstände gehen dafür zum Großteil in Ordnung. Nur selten könnten ein Paar Steine etwas bessere Auflösung vertragen. Besiegte Feinde unterliegen dafür einer extremen Ragdoll-Physik und liegen oft sehr unrealistisch verdreht am Ort des Geschehens herum. Das ist zugegebenermaßen oftmals amüsant, stört aber auch die Immersion.
Der Indy-Film, den es gebraucht hätte
Immersionstechnisch ist Der große Kreis in den meisten Fällen aber glücklicherweise 1A! Wir spielen zwar grundsätzlich aus der Ego-Perspektive, trotzdem versucht das Spiel gar nicht erst, uns glauben zu lassen, WIR wären Indy. Stattdessen vermittelt es uns das Gefühl, in einem Indiana Jones Kinofilm zu sitzen. In regelmäßigen Situationen, zum Beispiel beim Klettern, Schwingen an der Peitsche, oder in den zahlreichen Zwischensequenzen verlässt das Spiel die Ego-Perspektive und zeigt Indy komplett.
Darüber hinaus lässt sich das Spiel im Kinoformat mit Schwarzbalken oben und unten, sowie klassischem Körnigkeitseffekt spielen. Zu guter Letzt dürfen wir in den Zwischensequenzen stets das Sichtfeld ein wenig hin und herschwenken; so als würden wir Kino unseren Blick über die zu große Leinwand streifen lassen. Das schafft eine erfrischend andere Art der Immersion. Mir persönlich hat’s gefallen.
Davon profitieren übrigens auch die Nebenquests, die im Grunde mit demselben Aufwand inszeniert sind, wie jede Hauptquest und daher kaum als Nebenaufgabe auffielen, wenn sie nicht im Questlog stünden. Nur an wenigen Stellen wurden die optionalen Aufgaben nicht zu Ende gedacht. Wenn ich im Vatikan mit Gina zusammen nach Ihrer verschwundenen Schwester suche und dabei zahlreichen tiefsinnigen Gesprächen zwischen Ihr und Indy lausche, die beiden in der nächsten Hauptquest aber plötzlich keinen Plan mehr voneinander haben, dann stört das die Atmosphäre schon sehr.
Tolle Rätsel, coole Kämpfe
Die Egoperspektive sorgt dennoch dafür, dass wir auf eine ganz eigene Art und Weise unsere Umgebung erkunden und mit den Rätseln interagieren, die den Großteil des Spiels ausmachen. So werden wir selten durch Einblendungen auf Lösungswege gestoßen, sondern müssen auch mal Notizen aus unseren Taschen kramen, wirklich gewissenhaft Lesen und mit unserer Umgebung in Kontext setzen. Hat man die Lösung gefunden, fühlt man sich richtig detektiv-mäßig. Auch die Umgebungskarten muss Indy stets in der Hand halten, wenn wir unseren Standort checken wollen. Das sorgt für ein viel besseres Mittendrin-Gefühl als wenn sie in der oberen Bildschirmecke zu sehen wäre.
Braucht es doch mal einen Hinweis, fotografieren wir mit unserer Kamera mehrfach ein Rätsel und bekommen dann von Indy verbal Ratschläge. Apropos Schläge: Natürlich legt sich Indiana Jones auf der Reise mit zahlreichen Nazis und Faschisten an. Dabei kommen meist die Fäuste zum Einsatz, wir können aber auch die Peitsche knallen lassen und unsere Feinde damit entwaffnen. Blocken und Kontern kann Indy ebenso. Die Kämpfe fühlen sich damit wirklich dynamisch an. Mit zu vielen Feinden auf einmal sollten wir uns aber nicht anlegen, da Dr. Jones selbst nach wenigen Treffern zu Boden geht.
Später im Spiel können wir auch zu stärkere Feuerwaffen greifen, als zu unserem Revolver. Allerdings ist die Munition meist schnell verbraucht. Dafür können wir zahlreiche Gegenstände aus der Umgebung ebenfalls als Waffe zweckentfremden. Einem Gegner die Schaufel auf dem Kopf zu zertrümmern, fühlt sich einfach ziemlich befriedigend an.
Schleicherei, die sich gern schleichen kann
Häufig zwingt uns das Spiel aber auch passiv zum Schleichen, da einfach zu viele Gegner herumlaufen, die sich gegenseitig zur Hilfe eilen. Ich persönlich habe diese Phasen oftmals als ziemlich nervig empfunden. Zum Beispiel müssen wir wirklich auf Geräusche von Personen horchen, um sie ausmachen zu können. Einen übermächtigen Röntgenblick oder ähnliches gibt es bei Indiana Jones nicht. Das macht diese Gameplay Elemente sehr träge, da wir sehr vorsichtig sein müssen und oftmals per Versuch & Irrtum den richtigen Weg zu suchen haben.
Da hilft es nur wenig, dass nach jedem stillen Takedown ein ähnlich charismatischer Soundeffekt ertönt, wie es in den Indy-Filmen der Fall war. Die Schleicherei ist wie ein Narkosemittel für das ohnehin schon gemächliche Spieltempo.
Fazit: 8/10
Indiana Jones und der große Kreis ist sicher nicht das Spiel des Jahres 2025, aber für Indiana Jones Fans trotzdem ein super Weihnachtsgeschenk. Denn die bekommen ein Erlebnis, dass sowohl als solides Spiel als auch als wirklich guter Indy-Film funktioniert. Machinegames hat die Essenz dessen, was die Fans sich vom draufgängerischen Archäologen wünschen, einfach extrem gut verstanden.
Da stören auch die vielen kleinen Designpatzer wenig, die dem Spiel dennoch den Sprung in die absolute Top-Riege verwehren. So ist die Steuerung leicht überladen, die Menüstruktur teils unübersichtlich und von den nervigen Schleichpassagen habe ich auch erzählt. Auch die technischen Mankos wie fransige Schatten, Lippensynchro aus dem Tartarus und gelegentlich steife Animationen fallen auf, auch wenn sie unterm Strich das Gesamterlebnis nur bedingt trüben.
Dafür sind die Rätsel angenehm fordernd (aber nicht überfordernd) und einfach cool designt. Auch die Kämpfe fangen den Flair der Vorlage gut ein und überzeugen mit viel Freiheit. Wer hier keinen Shooter erwartet, sondern in erster Linie ein Adventure, mit gediegenem Tempo und gelegentlichen Actioneinlagen, der wird mit Indiana Jones und der große Kreis viel Spaß haben. Dank Gamepass und einer moderaten Spieldauer von etwa 13-30 Stunden sogar für einen schlappen Zehner im Monat. Die Lizenz darf gerne bei Machinegames bleiben, denn ich hätte gerne mehr davon.
Als Kind der 90er-Jahre ist Maik mit dem NES, SNES und Nintendo 64 groß geworden. Seitdem schlägt sein Herz für das Kyoto-Unternehmen, auch wenn seine Interessen auch weitere Konsolen betreffen. Zu seinen liebsten Titeln aller Zeiten gehören The Legend of Zelda: Ocarina of Time und Final Fantasy X.