Reigns Beyond

Manche von Euch erinnern sich vielleicht noch an diese charismatischen Kinderbücher, in denen wir als Leser:innen regelmäßig Entscheidungen treffen konnten? Je nachdem, welche der Optionen wir wählten, ging das Abenteuer auf einer anderen Seite weiter und verlief entsprechend anders. Das Indie-Spiel „Reigns“ nahm sich dieses Konzept zum Vorbild, pumpte es ordentlich auf und erzählte eine Geschichte im Mittelalter. Mit Reigns Beyond bekommt das Interaktive, digitale Geschichtsbuch nun einen Quasi–Nachfolger, der uns diesmal eine absolut ulkig-abgedrehte Weltraumoper vorsetzt. Dem Spielprinzip bleibt die Reihe aber weitgehend treu.

Der Bordcomputer mit roter Linse gibt uns die Möglichkeit, das Schiff durchzuchecken. Im Hintergrund eine Sonne mit verschiedenen Umlaufbahnen.

„Wenn du die Kontrolle nicht verlierst, hast du keine Kontrolle“!  

Wir wachen ohne Erinnerungen an Bord eines Raumschiffes als einzige Insasse des Raumschiffes „Sandman“ auf und werden prompt vom Bordcomputer zum Captain ernannt. Direkt bei unserer nächsten Landung lernen wir die abgedrehte, intergalaktische Band „Bärenfreunde“ kennen, die kurzerhand beschließt unsere Crew zu werden und uns als Mitglied aufnimmt. Von hier an entspinnt sich eine stehts unvorhersehbare Handlung, die fast vollständig von unseren Entscheidungen abhängt und bis zum Bersten voller abgedrehter Charaktere steckt. Nicht einmal der Bandname ist hier in Stein gemeißelt. Präsentiert wird das alles in knallbunter, minimalistischer Papierfigurengrafik, die ein kleines bisschen South Park–Feeling aufkommen lässt. Stichwort: Kanada.

Durch die verrückten Figuren und vielfältigen Wege, die wir einschlagen können, lässt sich nur sehr eingeschränkt vorhersagen, wie sich Entscheidungen auswirken – sowohl lang- als auch kurzfristig. Am meisten Spaß bietet Reigns Beyond, wenn wir uns einfach treiben lassen und schauen, was uns die Handlung in die Arme wirft. Die wird vor allem durch ihren abstrusen Humor voller popkultureller oder satirischer Anspielungen getragen. Das fängt mit unserem Hai als Bandmanager an und hört bei unserem Bordcomputer auf, der eins zu eins aus Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“ stammen könnte. Vom Rebellenführer mit dem vielsagenden Namen „Emon Lusk“ fange ich gar nicht erst an.

Weltraumkarte von Reigns Beyond. Eine grüne Route führt nach Gratreana.
Auf der Karte wählen wir unseren nächsten Routenpunkt aus. Wir können jederzeit das Sternbild wechseln.

Selten hat so wenig Gameplay so viel Spaß gemacht, wie in Reigns Beyond

Gameplay technisch ist Reigns Beyond ziemlich eingeschränkt. Wir werden quasi im Sekundentakt vor Entscheidungen oder Dialogoptionen mit jeweils zwei bis vier Möglichkeiten gestellt. Je nach Wahl entwickelt sich entweder die Handlung entsprechend und/oder unsere Schiffsparameter werden beeinflusst. Diese sind: Stromhaushalt, Sauerstoffgehalt, Crewgesundheit oder Schaden am Schiff. Fällt einer dieser Werte auf null, können wir sogar sterben. Dann stellen wir aber fest, dass wir nur ein Klon sind und ein weiterer Vertreter unserer Zunft übernimmt. Natürlich wieder ohne Erinnerungen.

Weggabelung im Raumschiff "Sandman".
Am oberen Bildschirmrand sehen wir stehts unsere Schiffsparameter. Fällt einer auf null, ist das nie ein gutes Zeichen.

So können wir uns quasi endlos durch das Abenteuer wühlen und versuchen, sämtliche Situationen zu erreichen, die uns eine spielinterne Liste aufzählt. Wir können etwa neue Gitarren sammeln und neue Crewmitglieder anwerben, von denen wir aber nie alle gleichzeitig an Bord holen können. Um zumindest ein bisschen spielerische Abwechslung zu bieten, können wir auf diversen Planeten mit der Band auftreten, um Geld zu verdienen. Dann müssen wir simple Geschicklichkeitsspiele lösen, in denen wir mit unserer Gitarre Herzen einsammeln. Die sind aber nicht wirklich der Rede wert und würde wohl niemand vermissen.

Rote Warlock-Gitarre fliegt auf gelbem Weg entlang und sammelt rote Herzen ein.
Die Musik–Minispiele sind das beste Mittel um Geld zu verdienen. Sie werden aber schnell lästig und fühlen sich selten zu 100% kontrollierbar an.

Fazit 7/10

Reigns Beyond ist kein Spiel für lange Abende, sondern der regelmäßige Happen für zwischendurch. Das simple, minimalistische Gameplay spielt seine stärken wenig überraschend am Ehesten auf Smartphones und Handhelds aus. Trotzdem entwickelt es durch seine einfache Handhabung und Unberechenbarkeit schnell eine Sogwirkung, die die Minuten durchaus verfliegen lassen kann. Sofern man der Typ für diese Art Erfahrung ist und sich drauf einlässt.  

In Reigns Beyond ist der Weg das Ziel. Wer hier zugreift, bekommt einen interaktiven Geschichtenerzähler, der mitgestalten lässt, ab und zu aber auch einfach die lange Nase zeigt. Dieses „Spiel“ effektiv und auf möglichst direktem Weg zum Ziel spielen zu wollen, braucht Ihr gar nicht erst zu versuchen. Entwickler Nerial weiß ganz genau, welche Erfahrung er mit Reigns Beyond liefern möchte und das macht er ausgezeichnet. Wer eine klassische Videospielerfahrung erwartet, wird aber definitiv enttäuscht werden. Wer charmante Unterhaltung für Bus– und Bahnfahrten sucht, die sich mit einem Finger bedienen lässt, kann für 5€ gerne zugreifen.

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