WRC
Die WRC Serie hat einen langen Weg mit Publisher BigBen Interactive und wechselnden Studios hinter sich. Nun liegen die Rechte bei Gigant Electronic Arts und das verantwortliche Studio ist niemand geringeres als Codemasters, die sich bereits mit den renommierten Colin McRae und Dirt Rally Spielen im Rallygenre einen mit Ehrfrucht ausgesprochenen Namen gemacht haben. Gameplay technisch habe ich mir da also zu keiner Zeit Sorgen gemacht. Was machen sie nun aber aus der offiziellen Lizenz im Kofferraum? Nach meinem Test auf der PS5 finde ich: leider etwas zu wenig.
WRC fährt sich „grauenhaft“. Gut so!
Mit Rallyspielen ist das ja seit jeher so eine Sache: Man sollte genau wissen, worauf man sich einlässt, wenn man eines angeht. Wer eine klassische Rennerfahrung erwartet, der guckt schon beim ersten Rennen ziemlich dumm aus der Wäsche heraus in die Röhre. Da wird geschlittert und gerutscht, geradeausfahren wird bereits zur Kunst. Rally bedeutet Mut zum Kontrollverlust, driften auf Schotter und jeder kleine Fehler kann verheerende Folgen haben. Selbst wer mit Rennspielen grundsätzlich Erfahrung hat, muss hier meist erstmal wieder in die Fahrschule. Die wird entsprechend gleich mitgeliefert und kann sogar bereits gespielt werden, während das Spiel noch installiert: sehr löblich! Hier werden wir mit detaillierten Anweisungen und einer sehr guten deutschen Vertonung angelernt und auf die nötigen Fahrtechniken vorbereitet. Um wirklich Profi zu werden, fehlen aber meiner Meinung nach noch einige detaillierte Lektionen, etwa über die Auswirkungen von Front- oder Hinterradantrieb.
Die Steuerung fühlt sich mit dem Controller bereits sehr gut an. Codemasters kann hier aus der vollen Erfahrung schöpfen und bietet genauso gutes Handling, genauso realistische Fahrphysik wie bei DirtRally 2.0. Echte Simracer fahren aber selbstverständlich mit Lenkrad und auch hier gibt es absolut nichts zu meckern. Selbst mit einem durchschnittlichen Lenkrad fühlen wir durch das Force Feedback jedes Schlagloch, jeden größeren Kiesel. Vor allem aus der Cockpit-Perspektive bekommen wir so natürlich die mit Abstand authentischste Erfahrung. Der klassische Nachteil: Beim Rallysport sind wir nicht selten auf den geschickten Einsatz der Handbremse angewiesen. Wer da nicht zusätzlich in einen Handbremsenhebel für’s Simrig investiert, muss mit der Kreistaste auskommen. Die zu drücken, ist bei gleichzeitigem Einschlagen des Lenkrades nahezu unmöglich. Hier geht dann leider eine Menge der guten Spielbarkeit flöten. Gerade zu Beginn kommen wir auch gut ohne die Handbremse aus, aber wer seine Fahrtechnik perfektionieren will, der muss entweder für die Erweiterung am Lenkrad blechen, oder zwangsläufig auf Controller wechseln. Schade.
Mit der World Rally Championship in 200 Etappen um die Welt
In Sachen Umfang hat sich Codemaster nicht lumpen lassen. Hier kommt die FIA WRC Lizenz voll zum Tragen. 78 verschiedene Autos sind im Spiel und wollen von uns an 17 verschiedenen Locations insgesamt 600 Kilometer lang in 200 Etappen bis ans Limit gefahren werden. Das passiert in drei verschiedenen Modi: Karriere, Championship oder in den sogenannten „Moments“. Die Karriere lässt uns unser eigenes Racing Team aufbauen und Managen. Dabei können wir in der JuniorWRC, der WRC 2 oder direkt in der WRC starten. Das ist zuweilen ganz unterhaltsam, wirkt aber auch sehr willkürlich, da wir pro Kalenderwoche nur eine Tätigkeit ausführen können und die Auswahl vom Zufall abhängig ist. Das entschlackt zwar das Gameplay im Vergleich zur Karriere von F1 zum Beispiel, wird aber auch schnell eintönig.
Championship lässt uns klassisch eine Meisterschaft nach unseren Wünschen zusammenstellen und abfahren. In den „Moments“ spielen wir zumeist Szenarios aus der realen Vergangenheit nach, teils bewältigen wir aber auch erdachte Challenges. Leider sind manche Moments EA Play Abonnenten vorenthalten. Dazu können wir uns im Builder ein eigenes Auto bauen. Die Anzahl der Teile hier ist jedoch überschaubar, ebenso wie im Charakter-Editor. Unsere Gefahrenen Zeiten werden stets in die Bestenlisten hochgeladen und auch Geistdaten von anderen Spielern sind schnell heruntergeladen. Für ehrgeizige Naturen wird hier der größte Motivationsfaktor liegen.
Wo ist der Haken bei WRC?
Letztendlich hatte ich bis hierher nicht allzu viel zu meckern. Wo WRC aber absolut nicht punkten kann, ist die Präsentation. Das hier die Unreal Engine 5 zum Einsatz kommt, lässt sich bestenfalls nur erahnen. Von weitem sehen die Strecken zwar durchaus authentisch aus, doch bei näherem Hinschauen fällt der Schleier. Die Texturen sind sehr verwaschen und auch die Modelle der Pflanzen und Bäume auf den Strecken könnten aus der PS3 Ära stammen. Auch die Wettereffekte sind nicht wirklich der Rede wert. WRC ist zwar kein hässliches Spiel, aber Konkurrenten wie Forza Motorsport oder Gran Turismo 7 haben da einfach wesentlich höhere Messlatten gelegt.
Dazu kommt die sehr langweilige Inszenierung. Die Rennen und Etappen sind äußerst nüchtern präsentiert, der Karrieremodus ist bloß ein Bürobildschirm mit diversen Menüs. Wo wir bei den Menüs sind: Die sind leider ebenfalls durchgehend zweckmäßig, dafür aber wenigstens aufgeräumt. Trotzdem hält einen die dröge Präsentation nicht lange bei der Stange. Zudem scheint das Spiel unter technischen Problemen zu leiden. Beim Start des Spiels bekam ich direkt eine Warnung, den Karrieremodus zunächst zu meiden, da bestimmte Zusammensetzungen des Kalenders derzeit zum Absturz des Spiels führen können. Ich konnte bisher zwar bis auf leichtere Framedrops ab und zu noch keinen gravierenden Fehler feststellen, doch solch eine Warnung spricht kein Entwickler leichtfertig aus. Ein Patch soll aber bereits in Arbeit sein und Mitte Januar veröffentlicht werden.
Fazit 8/10
WRC macht grundsätzlich erstmal nicht viel falsch. Die Fahrphysik ist stark und vor allem erfahrene Rallyfans bekommen einiges geboten. Die können auch bestimmt über die dröge Präsentation hinwegsehen, da sie sich eh lieber auf den vielen Pisten aufhalten. Trotzdem bleibt bei mir einfach das Gefühl haften, dass man aus der großen Lizenz einfach mehr hätte machen können. Bis auf die Moments sehe ich aktuell nichts, was Codemasters nicht auch mit einem DirtRally 3.0 hätte machen können. So sind die, zugegeben vielen, lizenzierten Strecken und Autos aktuell alles schöne Schmankerl vor allem für Rallyfans. Neueinsteiger wird der Titel aber wesentlich schwieriger überzeugen können. Dazu ist das Tutorial immer noch zu rudimentär. Die genauen Beifahreransagen zum Beispiel werden nicht in gänze erklärt. Man kann sie zwar auf eine abgekürzte Version umschalten, aber die Strecke wird dadurch ja nicht einfacher, im Gegenteil. Dazu fehlt es an echter Langzeitmotivation. Wer neu im Genre ist, muss also leider einen Punkt abziehen. Dazu wäre grafisch bestimmt mehr drin gewesen. Trotzdem kann Codemasters mit dem nächsten Teil hier auf einem soliden Fundament den nächsten großen Rallytempel errichten.