Der Kühne Knappe
Es war einmal ein tapferer Knappe namens Jot. Er lebte im Lande Mojo, im Dienste seiner Majestät, der Königin Chroma. Neben dem Verfassen von Geschichten und Gedichten war es ihm als Knappe auferlegt, das Reich vor dem fiesen Zauberer Grummweil zu beschützen. Aufgrund seiner Kühnheit war das auch absolut kein Problem. Denn schließlich war Jot der Held, der immer gewinnt!
Mal um Mal scheiterte Grummweil mit seinen Plänen zur Machtübernahme. Bis der griesgrämige Magier schließlich herausfand, dass sie alle Figuren in einem Buch waren! Durch diese Erkenntnis wurde er Herr über die „Meta-Magie“, die es ihm erlaubte, das Buch selbst zu verändern. So verbannte er Jot aus dem Buch und machte sich daran, das Reich Mojo ohne große Gegenwehr zu erobern. Doch so einfach gab sich der kühne Knappe natürlich nicht geschlagen und so beginnt unsere Geschichte.
Kapitel 1: Die Welt ist seine Bühne
Glücklicherweise verschwand Jot nicht einfach so. Denn Grummweil hatte ihn wahrhaftig aus dem Buch geschmissen und so fand sich Jot auf dem Schreibtisch des jungen Sam wieder, dem Besitzer des Buches. Zudem war ein Teil der Meta-Magie auf ihn übergegangen und verlieh Jot die Macht, Bilder und Papier jeder Art an bestimmten Stellen zu betreten und zu verlassen, wie es ihm beliebte. Mithilfe des Bücherwurms Liesbeth lernte Jot diese Macht zu nutzen und sogar die Seiten seiner Geschichte umzublättern, wie es ihm gefiel.
So begab es sich, dass Jot im Verlaufe seines Abenteuers immer wieder aus dem Buch heraussprang, um mit Liesbeths Rat neue Hilfsmittel und Kräfte zu finden, die es ihm erlaubten alle Hindernisse zu überwinden, die die Geschichte für ihn parat hielt. Ob er sich nun auf einer Kakaotasse mit einer kleinen Rakete verbündete, eine Girlande als Zipline verwendete oder sich mit einer Elfe auf einer Sammelkarte um ihren Bogen duellierte: Immer wieder gab es neues zu entdecken, da Sam seinen Tisch natürlich, wie jeder Zehnjährige, immer wieder mit neuen Dingen zustellte.
Kapitel 2: Ein Universum zum Verlieben
Doch auch die Abenteuer in Jots Bilderbuch standen dem in nichts nach. Denn Mojo war ein wahres Wunderland, das einen alle paar Seiten erneut ins Staunen versetzen oder zum Lachen bringen konnte. Auch seine Bewohner waren einfach zu liebenswert und ulkig, um sich nicht an ihnen zu erfreuen. Da waren zum Beispiel der weise, aber doch ziemlich lässige DJ-Zauberer Mondbart oder Jots beste Freunde, die Pinselhexe Viola und Krass, der Bergtroll vom Heavy Metal Berg Trarrg. Auch Winzent die Maus leistete Jot auf seiner Reise Beistand.
Dabei war ihre Sprache stets nur durch geschrieben Worte zu verstehen. Lautsprache gab es lediglich durch den allwissenden Erzähler, der das Schicksal der Freunde und ihre Taten beschrieb. Doch sämtliche Dialoge und Charaktere strotzten nichts desto trotz vor Charme, Selbstreferenz und Humor.
Selbst Grummweils Schergen waren keine seelenlosen Unholde. Nahezu jeder Soldat in seinem Dienst hatte einen eigenen Namen und eine (meist trottelige, aber auch sympathische) Persönlichkeit. Auch Grummweil selbst hatte ein tiefgründigeres Wesen, als es Jot und den anderen früher aufgefallen wäre. Was seine Taten natürlich in keiner Weise rechtfertigte.
Denn viel zu charmant war dieses Reich namens Mojo gestaltet, das Jot zu retten versuchte, um es einfach dem Fiesling zu überlassen. Auf dem Heavy Metal Berg Trarrg wuchsen Bäume, die die Devils-Horn-Geste mit ihren Kronen formten, in der Hauptstadt wuselten zahlreiche Bewohner umher und das Strandreich der Flamingos lud geradezu zum Sonnenbaden ein. Wer auch immer diese Welt erdacht und gezeichnet hatte, hatte über alle Maße Kreativität und Humor bewiesen.
Kapitel 3: So macht ein Knappe das
Auf seiner Reise musste Jot viele Aufgaben und Rätsel lösen, die abwechslungsreicher kaum hätten ausfallen können. Häufig musste er mit seinem Schwert die Soldaten Grummweils oder andere Kreaturen bekämpfen. Doch oftmals ging es auch nur mit Köpfchen weiter. Dann musste Jot zum Beispiel Textstellen aus dem Buch verändern, um Einfluss auf seine Umwelt und die Geschichte zu nehmen. Nicht selten war es auch nötig, das Buch zu verlassen, um von außen oder einer anderen Seite aus an des Rätsels Lösung zu arbeiten.
Über weite Strecken hatte die Geschichte viel Ähnlichkeit mit der Legende der Prinzessin Zelda. Doch immer wieder wurden sämtliche Genre-Konventionen für ein paar Seiten über Bord geworfen. Jots Bilderbuch war ein Werk voller Abwechslung, bei dem man nie wusste, was auf den nächsten Seiten passieren würde. Diese kindliche Neugierde hielt sich bis zur letzten Seite. Denn mit ungefähr zehn bis zwölf Stunden Lesezeit war „Der Kühne Knappe“ ein angenehm kurzweiliges Buch. Wenn Jot besonders aufmerksam war, konnte er auch Konzeptzeichnungen und faszinierende Einblicke in den kreativen Prozess seiner Erschaffer finden.
Kapitel 4: Alles kein Problem
Manchmal hatte Jot das Gefühl, dass eine höhere Macht seine Geschicke lenkte. Und das musste wohl zu jeder Zeit tadellos funktionieren (außer beim Seitenumblättern, da hakte es irgendwie manchmal), denn allzu schwer war sein Abenteuer nicht. Die Rätsel hatten meist eine recht offensichtliche Lösung. Wenn es doch mal zu sehr im Köpfchen rauchte, konnte sich Jot bei Mondbarts kleinem Gehilfen Minibart stets einen ziemlich eindeutigen Hinweis holen.
Auch Kämpfe und andere Herausforderungen waren so gut wie nie ein Problem für Jot. Und wenn er doch einmal unterlag, klopfte er sich einfach den Staub vom Gewand, stand auf und versuchte die Seite erneut. Letztlich machte Jots Geschichte dadurch aber keineswegs weniger Spaß. Schließlich war er der kühne Knappe; der Held, der immer gewinnt.
Fazit 9/10
Holla die Waldfee, „Der Kühne Knappe“ ist meine persönliche Überraschung des Jahres! Noch während ich diese Zeilen schreibe, kann ich mir ein breites Lächeln nicht verkneifen, wenn ich an das Abenteuer mit Jot und seinen Freunden zurückdenke. Ich habe mit einem durchaus interessanten Indie-Game gerechnet, aber was ich bekommen habe war eine absolute Wundertüte voller abwechslungsreicher Ideen, die sich stets schnörkellos ins Gameplay einfügen. Zwar spielt sich der kühne Knappe stets sehr simpel, aber deshalb auch tadellos und dank der wunderbare Spielwelt und des selbst-ironischen Humors hat mich das Abenteuer zu jeder Sekunde bestens unterhalten.
Ich will gar nicht zu viele Beispiele nennen, denn der Überraschungseffekt auf jeder neuen Seite macht einen großen Teil der Erfahrung mit dieser Indie-Perle aus. Trotzdem haben mir Jots Abenteuer wieder einmal bewiesen, dass von Publisher Devolver offenbar schlicht keine schlechten Spiele kommen können. Entwicklerstudio „All Possible Futures“ liefert hier eine Vorstellung, die an Wortwitz, visuellem Humor, Charme und Unvorhersehbarkeit Ihresgleichen sucht. Das sich der kühne Knappe, bei seinen vielen Genre-Wechseln, stets an bereits bekannten Spielideen bedient, verzeihe ich dem Spiel nur allzu gerne, wenn sie so sauber umgesetzt sind, wie hier.
Bei Präsentation und Dialogen schöpft der Titel dafür umso mehr aus den kreativen Vollen und lässt das Kind in mir regelmäßig jubeln. Zuweilen wird die fehlende Freiheit des Spiels bemängelt. Eine Haltung, die ich nicht wirklich teilen kann. Alles läuft hier nach einem sehr bewussten Drehbuch ab, was den Bilderbuch-Charakter aufrecht erhält. Alles andere würde meiner Meinung nach die Immersion zerstören. Auch dass die Rätsel und allgemein der Schwierigkeitsgrad ziemlich leicht sind, kann ich dem Spiel kaum ankreiden. Jots Abenteuer lebt von seiner Magie und nicht von der Herausforderung. Denn letztendlich ist „Der kühne Knappe“ eine Geschichte für (kleine und große) Kinder.
Spielte Videospiele, noch bevor er Fahrrad fahren konnte. Hat als einer der letzten Zivis den Gedanken an ein Medizinstudium verworfen und stattdessen „irgendwas mit Medien“ in der Weltmetropole Ilmenau im beschaulichen Thüringer Wald studiert. Über das Campus-TV schließlich den Weg eines (Video-) Redakteurs eingeschlagen und 4 Jahre lang im Esports-Bereich gearbeitet. Danach gings ins lineare Fernsehen und dann auf die andere Seite des Spektrums in die PR. Weil es ihm aber beim Thema Gaming und anderer medialer Unterhaltungskunst immer noch 24/7 in den Fingern juckt, gibt es jetzt, wann immer es die Freizeit zulässt, Reviews und Previews von ihm.